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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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zersprengten Reste eines sarazenischen Bataillons waren alles, was de Ridefort noch von der Freiheit trennte.
    »Messire, wir haben es fast geschafft!«, rief einer seiner Ritter.
    »Wenn wir sie noch einmal angreifen, können wir ihre Reihen durchbrechen!«
    Durchbrechen, dachte de Ridefort dumpf. Der Kampflärm, die Hitze, der unerträgliche Durst und seine eigene Erschöpfung forderten jetzt auch von ihm ihren Tribut; er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der innere Kompass, der ihm bislang jeden Weg gewiesen hatte, der zu seinem größtmöglichen Vorteil führte, ließ ihn im Stich.
    »Messire!«, beschwor ihn der Ritter verzweifelt.
    Aber es war bereits zu spät. Die Lücke hatte sich wieder geschlossen; wurde jetzt von seltsamen Erscheinungen in weißen Gewändern ausgefüllt, die sich die Gesichter bemalt hatten und Bogen in den Händen hielten. Rückzug - nur dieses Wort geisterte durch de Rideforts benebelten Verstand. Doch als es endlich in sein Bewusstsein eingesickert war, hatte ein feindlicher Pfeil sein Pferd dahingerafft. De Ridefort riss sich zusammen. Rechts von ihm kämpfte der Ritter, der zu einem neuerlichen Angriff geraten hatte, mit einem der weißen Reiter. Fast mechanisch stieß der Großmeister den jungen Mann aus dem Sattel und direkt in das Schwert des Ungläubigen, dann schwang er sich auf das reiterlose Pferd, riss es herum und galoppierte in das Tal zurück.
     Von den Hängen der Hörner von Hattin aus blickte Khalidah in das Tal hinab, wo die beiden kämpfenden Armeen den hellen Sand verdunkelten. Dort waren die bewaldeten Hügel, dort die weitläufige Wasserfläche, sogar die Standarten wehten in der Morgenbrise, obwohl die leuchtende Klarheit der Farben ihres Traumes der Realität von Staub und Rauch gewichen war. Trotzdem konnte sie das Weiß und Rot der Templer, das Schwarz der Hospitaliter, die bunten Banner der fränkischen und muslimischen Kriegshäuser, das Gelb der Ayyubiden und Mamluken, das Grün und Weiß der Fatimiden und das Schwarz der Seldschuken ausmachen. Es gab einen Angriff und  einen Gegenangriff, und Khalidah wusste, dass sie gespürt hätte, wie die Erde unter der Wucht trommelnder Hufe und Füße erzitterte, wenn sie sich näher beim Kampfgetümmel befunden hätte. Aber sie sagte kein Wort, sondern saß nur mit Sandara auf der einen und Abi Gul auf der anderen Seite reglos wie eine Statue auf Zahirahs Rücken, beobachtete das wogende Meer aus Fleisch und Stahl und wartete auf Befehle.
    »So viel zu der berühmten Prophezeiung«, murmelte sie und merkte erst, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte, als Abi Gul fragte: »Wie meinst du das?«
    Khalidah schüttelte nur stumm den Kopf. Sie wusste, dass dort unten in dem staubigen Tal jeder, den sie je geliebt hatte - jeder außer den wenigen Dschinn, die jetzt hier mit ihr warteten - um sein Leben kämpfte. Sie wusste auch, dass es ihr in wenigen Momenten ebenso ergehen würde, und sie fragte sich, warum sie je gemeint hatte, unbedingt hierherkommen zu müssen; sich je hatte einbilden können, mehr zu sein als Futter für diese beiden kämpfenden Götter.
    »Es ist gleich so weit«, stellte Sandara ruhig fest.
    »Bitte?« Abi Gul runzelte die Stirn.
    »Sieh doch - die Vorhut formiert sich zum Angriff.«
    Sandara hatte Recht. Die Vorhut der Franken schwärmte aus, die Reiter reihten sich hinter der Infanterie auf. Khalidah schlug das Herz mit einem Mal bis zum Hals.
    »Keine Angst, Khalidah«, beruhigte Sandara sie. »Die Dschinn haben dich gut ausgebildet. Vergiss nicht - streck so viele wie möglich mit Pfeilen nieder und zieh dein Schwert erst, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt.«
    Sie rückte ihren Helm zurecht und zückte ihren Bogen. Mit klammen Fingern tat Khalidah es ihr nach. Und dann rückte die fränkische Vorhut vor, direkt auf das Dorf Hattin, direkt auf Khalidah und ihre Dschinn zu. Sowie sie sich in Bewegung gesetzt hatten, vergaß sie ihre  Furcht und schoss ihre Pfeile ebenso rasch und präzise ab wie Sandara, wenn nicht gar wie Abi Gul. Die muslimischen Truppen waren dem Feind zahlenmäßig überlegen, aber die Franken wurden, wie Saladin es seinen Generälen vorhergesagt hatte, vom Mut der Verzweiflung angetrieben und kämpften mit erbitterter Kraft.
    Khalidah hatte ihren Bogen schon längst gegen ihr Schwert getauscht. Scheinbar von allen Seiten prasselten Hiebe auf sie hinab, doch ihre Rüstung bewahrte sie vor ernsthaften Verletzungen. Sie hieb im Gegenzug wie entfesselt

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