Wuestentochter
macht nichts. Es gibt jetzt nicht mehr viel, was noch zählt.«
Salim zog die Brauen zusammen. »Was soll denn das heißen?« »Es heißt, dass morgen alles vorüber ist - so oder so - und wir hoffentlich auf dem Weg zu einem besseren Ort sind.«
Salim, dem die Worte seines Vaters wieder einfielen, musterte ihn bedrückt. »Hast du das Land gefunden, von dem wir vor einiger Zeit gesprochen haben?«
»Vielleicht«, gab Bilal zurück.
»Und wo ist es?« Salims Lächeln war jetzt ganz erstorben. Er hielt den Blick fest auf die jämmerliche Schar Konvertiten gerichtet, die vom Rauch der Feuer eingehüllt wurden.
Bilal dachte an das Gespräch zurück, das er vergangene Nacht mit Khalidah über ihr verborgenes Tal im Osten geführt und das ein sehnsüchtiges Verlangen in ihm ausgelöst hatte. Er wusste, dass Salim seiner Idee bestenfalls skeptisch gegenüberstehen würde, und nach diesem langen Tag konnte er ablehnende Worte kaum mehr ertragen. Ihm war klar, wie hart der morgige Kampf trotz Saladins Bemühungen, die Moral der Franken zu untergraben, werden würde, und er brauchte an diesem Abend Hoffnung und Harmonie statt Verzweiflung und Bitterkeit.
Also antwortete er: »Lass es uns so halten, wie du es mir einst geraten hast - wir wollen sehen, dass wir die morgige Schlacht überleben und uns dann Gedanken um die Zukunft machen.«
Salim schien Einwände erheben zu wollen, besann sich dann aber, nickte und stützte den Kopf auf Bilals Schulter, während die Nacht langsam hereinbrach. Im Schatten der Hörner von Hattin saß Khalidah zwischen Abi Gul und Sandara, sah zu, wie ihr Lagerfeuer herunterbrannte, und dachte an Sulayman weit unten im Tal, wo Gökböris Division lagerte, so wie Sulayman an sie dachte. Und am schlammigen Ufer des Jordan zog sich eine unheimliche, vor Schmutz starrende Gestalt mit einem gebrochenen Bein und Augen, die wie Höllenfeuer glühten, mühsam aus dem Wasser. Der Mann war mittlerweile halb von Sinnen; das in seinem Fleisch verankerte Eisen vergiftete ihn allmählich, sodass er innerlich zu verbrennen meinte. Doch solange er noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte, hatte er ein Ziel vor Augen, und so schleppte er sich Richtung Westen, auf das Dröhnen der Trommeln und das Objekt seiner Rache zu.
24
Im Morgengrauen des 4. Juli nach dem christlichen Kalender rief König Guy, der die ganze Nacht schlaflos in seinem Zelt gesessen hatte, seine Befehlshaber zu sich. Sein Blick schweifte über sie hinweg, als suche er nach jemandem, dem er die Schuld zuweisen konnte, und blieb schließlich an de Ridefort hängen.
»Ihr«, sagte er, und wenn seine Stimme nicht gezittert hätte, wäre eine unmissverständliche Anklage darin mitgeschwungen. »Ihr habt uns in diese missliche Lage gebracht, nun seht zu, dass Ihr uns auch wieder heraushelft.«
»Wie bitte, Sire?« De Ridefort runzelte ungläubig die Stirn. »Wir sind hierhergekommen, um gegen die Sarazenen zu kämpfen, und jetzt müssen wir uns auf unsere Schwerter verlassen. So lautet Gottes Wille.«
»Gottes Wille?«, murmelte der König kopfschüttelnd. Er hielt nach Tripolis Ausschau und entdeckte ihn im Schatten beim Zelteingang. »Graf? Was meint Ihr?«
Tripolis hob den Kopf und sah den König an. Nach einem Moment spielte ein Lächeln um seine Lippen, das an eine verzerrte Grimasse auf dem Gesicht eines Toten erinnerte. »Was gibt es da noch zu sagen? Wenn wir hier ausharren, sterben wir noch vor Einbruch der Nacht vor Durst. Um die Quelle von Hattin zu erreichen, müssen wir die feindlichen Linien durchbrechen. Egal wie wir uns entscheiden - wir sind auf jeden Fall verloren. Es bleibt Euch überlassen, unsere Todesart zu bestimmen.«
»Nun gut«, krächzte Guy. »Ja, ich fürchte, Ihr habt Recht. Wir müssen versuchen, uns zum Wasser durchzuschlagen. Amauy!« Er rief seinen Bruder, den Konnetabel von Jerusalem, zu sich. »Die Schwadronen sollen sich zum Aufbruch rüsten!«
Und so wurde Graf Tripolis die erste Division unterstellt, und er ritt einmal mehr an der Spitze der christlichen Armee. In seiner Begleitung befanden sich seine vier Stiefsöhne Hugh, William, Ralph und Otto sowie Raymond, der Sohn des Prinzen von Antiochia. Balian d’Ibelin und Joscelin d’Edessa befehligten erneut die Nachhut, und der König ritt zusammen mit den anderen Edelleuten, seinen Bischöfen und der Reliquie vom Kreuz Christi in der Mitte. Als sich der Himmel blutrot zu verfärben begann, waren sie auf dem Weg zu dem Dorf Hattin,
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