Wuestentochter
sich jetzt etwas geändert haben soll. Er kann dich weder anerkennen noch zu seinem Erben einsetzen, und selbst wenn er das täte, hättest du all die anderen Prinzen gegen dich.«
»Es stimmt, er kann mich nicht öffentlich anerkennen«, bestätigte Sulayman. »Aber er liebte Haya - meine Mutter - aufrichtig, und deswegen will er etwas für mich tun.«
»Was denn zum Beispiel?« Eine Vorahnung drohenden Unheils begann von ihr Besitz zu ergreifen.
»Er hat mir Landbesitz versprochen - nicht viel, nur eine kleine Stadt in der Nähe von Edessa und das umliegende Ackerland -, aber es reicht, um mir einen Namen und den Rang eines amir in seiner Armee zu verschaffen.«
Mit einem Mal brach Khalidah in Tränen aus. »Das war es dann also? Die ganze Zeit sehnst du dich nach Qaf zurück, und dann gibst du alles für eine Provinzstadt, einen unbedeutenden Titel und die Wahrscheinlichkeit auf, in der Armee des Sultans umzukommen?«
»Galt das denn nicht für uns alle? Sind wir nicht genau deswegen heute hier gewesen?«
»Ich nicht«, erwiderte Khalidah bitter. »Und die Dschinn ebenfalls nicht.« Sie kehrte ihm den Rücken zu und legte sich wieder auf das Bett.
»Khalidah …« Der Schmerz und die Verwirrung in seiner Stimme rührten sie so sehr, dass sie fast nachgegeben und Mitleid mit ihm empfunden hätte, doch dann fuhr er fort: »Auf diese Weise kann ich dir das Leben bieten, das du verdienst.«
Sie lachte humorlos auf. »Wenn ich diese Art von Leben gewollt hätte, hätte ich meinen Vetter geheiratet, statt dir nach Qaf zu folgen.«
»Khalidah, bitte versuch doch zu verstehen …«
»Wenn das deine Entscheidung ist, werde ich dich nie verstehen! Die Dschinn haben dir ebenfalls einen Namen und eine Heimat angeboten - ein weit würdigeres Land als das, was du gewählt hast! Aber wenn du dich vom Reichtum und Glanz des Sultans blenden lässt, dann bist du nicht der Mann, für den ich dich gehalten habe!«
Und mehr sagte sie nicht, so sehr er sie auch beschwor und umzustimmen versuchte. Endlich legte er sich neben sie und lauschte die ganze lange Nacht ihres Sieges lang hilflos ihrem Schluchzen.
Am nächsten Tag begann Saladin ernsthaft mit der Rückeroberung seines Reiches. Als Erstes verfügte er, dass die Gräfin Eschiva, die noch mit ihrem Gefolge in der Zitadelle von Tiberias festgehalten wurde, die Burg verlassen durfte, und sicherte ihr freies Geleit zu. Graf Tripolis war nach dem verhängnisvollen Angriff vom Vortag nicht zu seiner Frau zurückgekehrt, sondern hatte sich nach Tyrus begeben. Daher verlief die Übernahme von Tiberias friedlich; Eschiva selbst händigte Saladin die Schlüssel zum Stadttor aus.
Diese ohne Blutvergießen verlaufende Eroberung sollte sich als wegweisend für viele weitere in den kommenden Tagen erweisen, aber bevor der Sultan mit der Umverteilung des Heiligen Landes fortfahren konnte, musste er ein dringlicheres Problem lösen. Unter den zahlreichen Gefangenen des Vortages befanden sich auch mehr als zweihundert Templer und Hospitaliter. Der muslimische Ehrenkodex verbot die Hinrichtung von Kriegsgefangenen, aber Saladin wusste, dass diese Ritter die Einzigen waren, die seine neu errungene Autorität zu bedrohen vermochten, und er sie daher nicht frei lassen durfte. Und so erließ er eine weitere, düsterere Verfügung, sprach: »Ich werde das Land von diesen gottlosen Männern reinigen!«, und gab Befehl, alle zu enthaupten.
Er hatte befürchtet, einige seiner frömmeren Anhänger könnten Einwände erheben, doch noch ehe der Morgen verstrichen war wimmelte es in seinem kleinen weißen Zelt von Männern, die darum baten, die Rolle des Henkers übernehmen zu dürfen. So vergab der Sultan diese Aufgabe als Belohnung und Auszeichnung an diejenigen, denen er besonderen Dank zu schulden meinte oder die er beeindrucken wollte. Auch Sulayman zählte zu diesen Privilegierten.
»Du denkst doch nicht ernsthaft daran, dieses Angebot anzunehmen?«, entrüstete sich Khalidah, als er ihr davon erzählte.
»Warum denn nicht?«
»Weil es barbarisch ist! Und allen Lehren Mohammeds widerspricht!«
Sie funkelten sich einen Moment lang erbost an, doch es war Sulayman, der als Erster den Blick senkte. Khalidah fuhr fort, ihre Rüstung zu säubern. »Ich hoffe, der Sultan weiß den Eifer zu schätzen, mit dem du dich seiner Sache verschreibst«, bemerkte sie sarkastisch.
»Khalidah, versuch mich doch zu verstehen …«
»Wie denn?«, fuhr sie auf. »Wie kann ich dich verstehen?« Sie
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