Wuestentochter
bin ich nicht verpflichtet, ihm gegenüber Gnade walten zu lassen.« Es war eine arabische Tradition, dass ein Gefangener, dem eine Erfrischung angeboten worden war, verschont werden musste - eine kulturelle Feinheit, die Guy unbekannt war.
Noch während sich der Dolmetscher bemühte, ihm dies klarzumachen, hob Saladin die rechte Hand, und Salim legte das Heft seines eigenen Schwertes hinein. Mit einem Lächeln, in dem nichts von seiner üblichen Wärme lag, erhob sich der Sultan, hob das Schwert und stieß es Kerak zwischen Nacken und Schulterblatt in den Leib. Einige fränkische Ritter schrien entsetzt auf, Guy schloss stöhnend die Augen. Er zitterte jetzt, als würde er am Viertagefieber leiden. Kerak kippte vornüber, seine Augen quollen aus den Höhlen, und seine Hände flatterten zu der Wunde in seinem Nacken. Das Schwert des Sultans hatte eine Arterie durchtrennt, dunkles Blut strömte auf den Teppich und begann ihn zu durchtränken. Doch Saladin hatte sein Werk noch nicht beendet. Er hob das Schwert erneut und ließ es mit solcher Kraft auf seinen alten Feind niedersausen, dass Keraks Kopf vom Rumpf getrennt wurde, über den Boden rollte und vor den Füßen des Frankenkönigs liegen blieb.
Saladin gab Salim das blutige Schwert zurück und wandte sich wieder an den völlig verängstigten Guy. »Dieser Mann starb allein wegen seiner Ruchlosigkeit und Heimtücke. Aber Euch wird nichts geschehen. Könige sollten es sich nicht zur Gewohnheit machen, andere Könige zu töten.« Er bückte sich, tauchte einen Finger in die Blutlache auf dem Teppich und spritzte sich etwas davon zum Zeichen dafür, dass er an dem Toten Rache genommen hatte, auf den Kopf, so wie es die Tradition verlangte.
»Schafft seinen Kopf nach Damaskus«, befahl er dann seinen Mamluken. »Schleift ihn dort durch die Straßen, damit alle sehen, dass diesen durch und durch verderbten Mann jetzt seine gerechte Strafe ereilt hat. Bringt die Gefangenen ebenfalls in die Stadt und sorgt dafür, dass sie ihrem Rang gemäß untergebracht werden. Ich werde nicht dulden, dass sie schlecht behandelt werden.«
Dann überließ er es dem Dolmetscher, den Franken zu erklären, was mit ihnen geschehen würde, und verließ das Zelt, um die Rückkehr seiner Truppen zu überwachen.
Khalidah und Abi Gul hatten Sandaras Leichnam suchen wollen, um sie nach Art der Dschinn zu bestatten, gaben aber schon auf, bevor die Dämmerung hereinbrach. Das Ausmaß des Gemetzels übertraf alles, was Khalidah sich in ihren schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte. Hatten das Tal und die Hügel zuvor einem Wald aus Schwertern und Speeren geglichen, so schienen sie jetzt mit einem Teppich aus verstümmelten Leichen bedeckt zu sein. Ein Pferd konnte keinen Schritt tun, ohne auf zermalmte menschliche Überreste zu treten, und es war kaum möglich, eine blutige, schlammverschmierte Tunika von der anderen zu unterscheiden. Außerdem hatten die muttawiyah schon begonnen, Gräber für die gefallenen Muslime auszuheben, sodass Sandara durchaus schon unter der Erde sein konnte.
»Das erscheint mir nicht richtig«, sagte Khalidah zu Abi Gul, als sie dem Schlachtfeld endlich den Rücken kehrten und zum Lager des Sultans zurückritten. »Sie würde nicht wollen, dass man sie in der Erde verscharrt.«
»Heute werden zweifellos viele Krieger nicht gemäß ihrer Sitten und Bräuche bestattet«, erwiderte Abi Gul. »Das gehört zu den Opfern, die ein Krieg fordert. Hast du gedacht, wir bringen unsere Toten für gewöhnlich von unseren Missionen nach Qaf zurück, Khalidah?« Sie schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Das Wissen, dass unsere Leiber vielleicht weit weg von daheim zur letzten Ruhe gebettet werden, ist ein Teil des Daseins eines Dschinn. Aber wo immer unsere Körper auch liegen, unsere Seelen sind frei. Sobald beide voneinander getrennt sind, kann uns nichts daran hindern, uns mit unseren Göttern in Hewad zu vereinen.«
Khalidah dachte darüber nach. Fast beneidete sie Abi Gul um diese so großzügig auslegbare Philosophie. Trotzdem missfiel ihr die Vorstellung, von jemandem bestattet zu werden, der ihre Traditionen nicht verstand. Seufzend betrachtete sie ihre Freundin. Abi Gul wirkte erschöpfter, als Khalidah sie je erlebt hatte. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, ihre Wangen waren eingefallen, in ihrer Rüstung klafften zahlreiche Risse, sie hatte Schrammen und Kratzer davongetragen und schonte ihren linken Arm, saß aber noch immer stolz und aufrecht
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