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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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dem Speer, der seine Brust durchbohrt hatte. Abi Gul kniete neben Bilal nieder, Sulayman zog sein Schwert, aber Khalidah kam ihm zuvor. Sie rannte auf die von Fliegen umschwirrte gespenstische Erscheinung mit dem angeschwollenen, höhnisch grinsenden Gesicht und den zerfetzten, vor Blut und Schmutz starrenden Kleidern zu, und als Sulayman sie einholte, hatte Khalidah Numair bereits zu Boden gestoßen und noch mit ihrem verletzten Arm die Kraft gefunden, ihm das Schwert ihrer Mutter tief in den Hals zu treiben.
     

28
    Bilal weinte nicht; ihm kamen keine Tränen. Wenn tief in seinem Inneren nicht ein glühender Schmerz getobt hätte, hätte er gemeint, in dem Moment, in dem Salim von dem Speer durchbohrt worden war, zu Stein erstarrt zu sein. Nur von dem Gedanken beherrscht, um jeden Preis in Bewegung zu bleiben, trug er Salim allein zum Lager zurück, legte ihn in ihr Zelt und holte Wasser, um ihn zu waschen. Auch das ghuzul vollzog er alleine; er hob Salim in die hölzerne Wanne, wusch ihn dreimal, trocknete ihn ab und hüllte ihn in ein  kafan aus weißem Leinen. Während der gesamten Zeremonie sprach er kein Wort und schickte alle, die ihm helfen wollten - von den Dienern bis hin zum Sultan selbst - mit unwilligen Gesten fort.
    Nur Khalidah duldete er in seiner Nähe. Sie saß vor dem Zelt, während er drinnen das ghuzul durchführte, denn es war ihr verboten, es zu betreten, während ein Mann für die Beerdigung hergerichtet wurde. Doch als Salims Brüder kamen, um ihn zu der Stelle zu bringen, wo er später am Tag begraben werden würde, huschte sie in das Zelt und fand Bilal zusammengerollt auf dem Bett vor, in dem er von nun an allein schlafen musste. Sie legte sich neben ihn und strich ihm sacht über das Haar, obwohl sie damit rechnete, dass er ihre Hand wegstoßen würde. Stattdessen drehte er sich zu ihr und klammerte sich an die Röcke ihres schwarzen thoub, wie sich ein Kind Trost suchend an alles klammert, was gerade zur Hand ist. Als ein Diener kam, um ihnen mitzuteilen, dass das Salat al-Janazah, das rituelle Sterbegebet, gleich beginnen würde, lagen sie noch immer so da.
     Das Grab war auf einem Hügel oberhalb des Lagers ausgehoben worden. Es war eines von vielen, und als sie sich zwischen ihnen hindurchschlängelte, kam es Khalidah so vor, als habe die Erde tausend Münder geöffnet, um die Unmengen von Toten zu beklagen. Trotzdem schien ihr dies nicht genug Trost für die trauernden Hinterbliebenen zu sein. Ihr Blick wanderte von Bilals schmerzverzerrtem Gesicht zu dem immer noch raucherfüllten Tal hinunter, und sie fragte sich einmal mehr, ob der große Sieg des Sultans nicht zu teuer erkauft worden war.
    Der Imam, der neben Salims verhülltem Leichnam stand, hatte sich schon gen Mekka gewandt; die Trauergemeinde reihte sich hinter ihm auf. Khalidah sah Sulayman ganz vorne bei dem Sultan stehen. Die Abendsonne fiel auf seine gelbe Tunika. Er drehte sich zu ihr um, ihre Blicke trafen sich, dann nahm sie ihren Platz zwischen Bilal und ihrem Vater ein. Obwohl es Frauen eigentlich nicht gestattet war, einen Toten zu seinem Grab zu geleiten, sprach niemand ihr das Recht ab, bei der Bestattung anwesend zu sein.
    Der Imam hob die Hände zu den Ohren und begann mit leiser Stimme: »Allahu akbar.« Khalidah wiederholte die Worte und faltete dann wie alle anderen die rechte Hand über der linken auf dem Bauch. Als der Imam mit seinem Gebet fortfuhr, schweiften ihre Gedanken ab, sodass sie die Worte gar nicht bewusst wahrnahm. »O Allah! Vergib den Lebenden und den Toten, denen, die hier gegenwärtig sind und denen, die fehlen; den Jungen und den Alten; den Männern wie den Weibern. O Allah! Hilf denen, denen du das Leben gibst, im Sinne des Islams zu leben und hilf denen, denen du den Tod bringst, in ihrem Glauben zu sterben …«
    Khalidah fragte sich, wie viele Imame wohl an diesem Abend in den umliegenden Hügeln dieselben Worte intonierten. Sie fragte sich auch, was die entkommenen Christen wohl mit ihren Toten gemacht hatten. Nach dem Gebet ließen Salims Brüder seinen Leichnam in das Grab hinunter. Obwohl der Sultan Bilal bedeutete, sich zu ihnen zu gesellen, verharrte dieser auf seinem Platz an Khalidahs Seite und umklammerte noch immer den Stoff ihres Gewandes. Saladin runzelte verwirrt die Stirn, doch Khalidah verstand: Dies war eine Endgültigkeit, die Bilal nicht ertragen konnte. Also drehte der Sultan selbst seinen Sohn auf die rechte Seite und legte seinen Kopf auf einen Stein, sodass

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