Wuestentochter
und mehr denen ähnelte, die er von Wadi Tawil her kannte, als den prunkvollen bunten Seidenzelten der Edelleute.
»Kommst du nicht mit?«, fragte Bilal alarmiert, als Salim sich zum Gehen wandte.
Salim zuckte die Achseln. »Ich wurde zu dieser Unterredung nicht dazugebeten.«
»Aber …« Furcht flackerte in Bilals Augen auf.
Salim legte einen langen, schlanken Finger an die Lippen. »Er bellt vielleicht, Bilal, aber er beißt nicht. Und wer weiß, vielleicht finde ich ja noch einen Weg, mich in sein Zelt zu schmuggeln.« Ein strahlendes Lächeln erhellte sein Gesicht, dann war er verschwunden.
Bilal drehte sich zu dem Zelt um. Zwei in ihren grünen Brokattuniken prächtig anzusehende Mamlukenwachposten flankierten den Eingang. Sie hielten den Blick starr in die Ferne gerichtet und ihre langen Speere fest umfasst. Keiner der beiden schien Notiz von Bilal zu nehmen. Dieser fragte sich gerade, was jetzt wohl von ihm erwartet wurde, als ein kleiner Mann aus dem Zelt trat. Er war schlank, fast zierlich gebaut, hatte so helle Haut wie Bilal und kleine, kluge Augen von der Farbe dunklen Tees. Obwohl sein langes Haar von grauen Strähnen durchzogen war, schimmerte sein Bart noch voll und dunkel. Er trug keine Rüstung, sondern das schlichte schwarze Gewand nebst passendem Turban eines Schreibers oder heiligen Mannes.
Sie tauschten die üblichen Begrüßungsfloskeln aus, dann stellte der Mann mit einer warmen, kultivierten Tenorstimme fest: »Du bist nicht Numair al-Hassani.«
»Nein.« Bilal schluckte, weil sich in seiner Kehle ein Kloß gebildet hatte. »Ich bin sein Vetter Bilal. Numair lässt sich untertänigst entschuldigen. Er ist … indisponiert.«
»Dann heiße ich dich an seiner Stelle willkommen, Bilal ibn …?«
»Bakhir«, antwortete Bilal, wie Numair es ihm eingeschärft hatte. Bakhir war der Mann von einer von Abd al-Hadis Schwestern gewesen und eignete sich perfekt für die Rolle von Bilals fiktivem Vater, da er und seine Frau schon vor Jahren gestorben waren.
»Bilal ibn Bakhir al-Hassani.« Der kleine Mann neigte den Kopf. »Bitte tritt ein«, fügte er hinzu, schlug mit einer Hand die Zeltklappe zurück und vollführte mit der anderen eine einladende Geste.
Bilal betrat, gefolgt von dem Schreiber, den Zeltinnenraum. Das Innere des Zeltes wirkte ebenso karg wie sein Äußeres; es war nur spärlich möbliert, und hinter einem Vorhang ragte die Ecke einer schmalen Soldatenpritsche hervor. Die einzigen Anzeichen für Wohlstand bestanden in einem großen, fein gewebtenTeppich, der den Sandboden bedeckte, und einem Stapel leuchtend bunter Seidenkissen. Ein großer Mann in einem kostbaren gelben Gewand lehnte sich dagegen. Er trug einen mit einer juwelenbesetzten Brosche geschmückten Turban und hielt das Mundstück einer reich verzierten Huka in der Hand. Obwohl er eindeutig nicht mehr jung war - davon zeugten seine faltige Haut und die zahlreichen grauen Fäden in seinem Bart -, strahlte er Kraft und Vitalität aus.
Bilal verbeugte sich tief vor ihm. »Hoheit, es ist mir eine große Ehre, vor deinem Antlitz erscheinen zu dürfen.«
Zu seiner Bestürzung brachen sowohl der Sultan als auch sein Schreiber in schallendes Gelächter aus. Errötend blickte Bilal von einem Mann zum anderen; zwischen Ärger und der Angst, versehentlich die Etikette missachtet und sich selbst und Numair verraten zu haben, hin- und hergerissen. Doch dann sah er, wie ein Abglanz von Salims Lächeln das Gesicht des kleinen Schreibers aufleuchten ließ, wenngleich es den Kummer in seinen Augen nicht auszulöschen vermochte.
Bilals Wangen brannten, als er vor dem kleinen Mann auf die Knie fiel. »Verzeiht mir meinen Irrtum, Hoheit.«
Noch immer lächelnd ergriff der Sultan seine Hände und zog ihn wieder auf die Füße. »Nein, du musst uns verzeihen.« Er legte eine Hand über sein Herz. »Das war nicht, wie es vielleicht scheint, ein Scherz auf deine Kosten, sondern nur ein alter Scherz unter zwei alten Männern. Dein Irrtum ist daher nur allzu begreiflich. Aber um Klarheit zu schaffen - gestatte, dass ich dir meinen Freund vorstelle, den großen Chronisten und Historiker und meinen vertrauenswürdigsten Schreiber Imad ad-Din al-Isfahani. Und ich bin Saladin ibn Yakkub al-Ayyubi, zu deinen Diensten.«
»Edler Sultan«, murmelte Bilal mit einer neuerlichen Verbeugung.
»Und jetzt mach es dir doch bitte bequem.« Saladin deutete auf ein paar Kissen, die Imad ad-Din aus dem Stapel hinter sich hervorgezogen und auf den
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