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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Verbandsmaterial benutzen lässt.«
    Vorsichtig stiegen sie über Steine und Geröll hinweg, bis sie eine Ecke von Sulaymans Satteldecke aus einem Sandhaufen herausragen sahen. Nach und nach förderten sie auch den Rest ihrer Habseligkeiten zu Tage. Zwei ihrer drei Wasserschläuche waren geplatzt, Sulaymans qanun aber wie durch ein Wunder unversehrt geblieben. Khalidah hob sie auf und zupfte an einer Saite.
    »Über dich scheint ein Engel zu wachen, Sulayman«, stellte sie fest.
    Er lächelte, doch seine Augen blickten ernst. »Sag das erst, wenn wir es geschafft haben, mit nur einem Wasserschlauch die nächste Quelle zu erreichen.«
    Als sie ihm das Instrument reichte, brachte sie endlich auch den Mut auf, ihm die Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Zunge lag. »Bringst du mir bei, sie zu spielen?«
    Die Frage schien ihn nicht zu überraschen. »Wenn ich Ruhe und Muße dazu finde«, erwiderte er ohne Zögern.
    Für den Fall, dass sie immer noch verfolgt wurden, vergruben sie alles, was nicht mehr zu gebrauchen war, dann verbanden sie Zahirahs Bein und setzten ihren Weg fort. Doch sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen zwei mächtige Felsbrocken den Weg versperrten. Als Khalidah Zahirah um sie herum auf den Hang führte, von dem sie sich gelöst hatten, meinte sie, den Spuren eines Ungeheuers zu folgen: Fünf Fußabdrücke hatten sich in den Stein eingeprägt; Abdrücke eines Geschöpfes mit drei Zehen, von denen jede so lang wie ihr Unterarm war.
    »Bekommen wir es jetzt auch noch mit Drachen zu tun?«, fragte sie Sulayman.
    Er betrachtete die Abdrücke einen Moment nachdenklich, dann sagte er: »Ich habe einmal in diesen Bergen einen Stein in zwei Hälften zerbrochen, als ich versuchte, Feuer zu machen. Und zwischen diesen beiden Hälften entdeckte ich den Abdruck von Fischgräten. Ich nahm den Stein nach Yazd mit, um ihn dort zu verkaufen, weil ich dachte, er müsse ein Vermögen wert sein, aber ich wurde prompt zu einem Markthändler geschickt, dessen Stand voll von solchen Steinen war. Er gab mir ein paar Münzen für meinen und erzählte mir, in den Bergen Persiens gäbe es unzählige solcher Wunder, und noch weit beeindruckendere als die, die ich vor mir sähe. Er sagte, diese Berge seien die Grabstätte von Kreaturen, die lange vor den Menschen auf der Erde gelebt hätten - riesige Eidechsen und Vögel ohne Federn und Fische mit langen Zähnen - und die Zeit hätte ihre Knochen in Stein verwandelt. Vielleicht verhält es sich mit diesen Fußabdrücken ebenso.«
    »Im Koran werden weder Rieseneidechsen noch federlose Vögel erwähnt«, wandte Khalidah zweifelnd ein.
    »Und der Koran behauptet, die Dschinn bestünden aus Feuer.«
    Khalidah seufzte. »Eine von Ungeheuern beherrschte Welt«, stöhnte sie, dabei stieg ein grausiges Bild vor ihr auf: dass sie auf der anderen Seite dieser Berge nicht die Städte Yazd und Ravat vorfinden würden, sondern eine trostlose Einöde, auf der riesige schuppige Geschöpfe ihr Unwesen trieben. »Ich habe genug von Persien«, entfuhr es ihr.
    Sulayman lachte. »Du kennst Persien ja gar nicht. Hoffentlich kann ich es dir irgendwann einmal zeigen. Es gibt kein schöneres Land auf dieser Welt.«
    »Noch nicht einmal Qaf?«, fragte Khalidah weich.
    »Qaf …«, entgegnete Sulayman nach einer Pause. »Manchmal denke ich, Qaf ist eine Welt für sich selbst.« Er erhob sich und führte Asifa weiter, und Khalidah ließ die unheimlichen Fußspuren dankbar hinter sich.
     

25
    Amman war so alt wie Busra und konnte gleichfalls mit einem römischen Amphitheater, prähistorischen Ruinen sowie einer bescheidenen geschichtsträchtigen Bedeutung unter der Herrschaft der frühen islamischen Dynastien aufwarten. Aber die Zeit war nicht sehr freundlich mit der Stadt umgegangen. Nach einer kurzen Blütephase unter den Abbasiden war sie von mehreren Erdbeben zerstört worden, und eine Reihe weiterer Naturkatastrophen hatte sämtliche Versuche vereitelt, sie wieder in alter Pracht auferstehen zu lassen. Heute stand kaum mehr als ein größeres Dorf auf der Stätte der einstigen Stadt; ein Dorf, das vermutlich verfallen und in Vergessenheit geraten wäre, wenn die Franken nicht auf seine günstige Lage am Rande Oultrejourdains aufmerksam geworden wären und auf den Ruinen der Zitadelle eine kleine Festung errichtet hätten.
    Trotzdem lag Amman zu weit von Damaskus oder Jerusalem entfernt, um einer Invasorenarmee von größerem Nutzen zu sein. Die Festung war in aller Eile erbaut

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