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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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worden, und als Salims Kundschafter an einem milden Morgen die Befestigungsanlagen inspizierten, fanden sie lediglich einen niedrigen, von einem Graben umgebenen Turm auf einem Hügel vor, der von den verfallenen Ruinen weitaus älterer und imposanterer Gebäude umringt war. Selbst bei voller Besetzung konnte er nie mehr als dreißig Männer beherbergt haben, doch die Kundschafter schätzten, dass die Garnison momentan höchstens die Hälfte davon umfasste.
    »Und sie sehen nicht aus wie Ritter«, stellte Salim fest, ehe er vom Fenster des halb eingestürzten Hauses zurücktrat, von dem aus er die Festung beobachtet hatte. Widerwillig nahm Bilal seinen Platz ein. Obwohl er kein Experte war, hatte ihm de Ridefort immerhin so viel beigebracht, dass er die beiden Posten am Tor als Infanteristen  identifizieren konnte. Und obgleich ihm sein gesunder Menschenverstand sagte, dass dieser armselige Vorposten niemals mit Tempelrittern bemannt sein würde, konnte er einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken.
    Salim deutete diesen Laut falsch. »Sie dürften uns keine großen Schwierigkeiten bereiten, vorausgesetzt, es gelingt uns, sie herauszulocken … obwohl ich mich frage, ob sich die Mühe überhaupt lohnt. Diese Männer machen nicht den Eindruck, als würden sie über die Art von Informationen verfügen, die für uns interessant sind. Vielleicht sollten wir es etwas weiter südlich versuchen.«
    Er spielte abwesend mit einer Haarlocke, während er das Fenster nachdenklich betrachtete. Bilal kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er auf Zustimmung wartete, doch sie befanden sich schon sehr viel näher bei der Burg, die sein Vater so oft aufzusuchen pflegte, als ihm lieb war, also wagte er vorsichtigen Widerspruch. »Ich würde diese Chance nicht so einfach vertun.«
    »Ich höre.« Salim drehte sich zu ihm um.
    »Weiter gen Süden zu reiten birgt viele Gefahren«, fuhr Bilal fort. »Die Burgen dort unten zählen zu den mächtigsten des fränkischen Königreiches, und das umliegende Land ist für Erkundungsritte absolut ungeeignet - eine kahle Wüste, so flach wie eine Platte. Wenn man uns dort entdeckt, sind wir verloren; eine Flucht ist unmöglich. Aber bei dieser Garnison …«, er deutete zum Fenster, »… scheint es sich um Infanteristen zu handeln. Wir könnten sie leicht gefangen nehmen, ja, vielleicht sogar die gesamte Festung einnehmen …«
    »Meinst du?« Ein kleiner Funke glomm in Salims Augen auf.
    »Ich wollte damit nicht sagen, dass wir sie angreifen sollen«, stellte Bilal rasch klar. »Sondern nur eine Möglichkeit aufzeigen.«
    Salims Blick wanderte ebenfalls zu dem Fenster. »Denk doch nur, was mein Vater sagen würde, wenn es mir gelänge, ihm eine fränkische Festung zu verschaffen.«
    »Salim …«
    »Bilal?« Salims Lippen verzogen sich zu dem Lächeln, das Bilal zu fürchten begonnen hatte, weil er Salim dann nichts mehr abschlagen konnte. »Was haben wir denn zu verlieren? Wir können nur versagen, und damit rechnet mein Vater ohnehin schon. Also, was ist? Bist du dabei?«
    Er verflocht seine Finger mit denen von Bilal. Die Berührung jagte Bilal einen heißen Schauer über den Rücken, und als er in Salims lächelndem Gesicht Liebe und inniges Vertrauen las, fragte er sich, ob es je einen Tag geben würde, an dem er keinen Abscheu vor sich selbst empfand.
     Bilal hatte gehofft, die umara würden Salim den Plan, die Festung zu stürmen, ausreden, aber er hatte die Auswirkungen wochenlanger Langeweile unterschätzt. Die Männer hatten die Idee begeistert aufgenommen und versammelten sich an diesem Abend im Zelt des Prinzen, um eine Strategie auszuarbeiten.
    »Ich hege keinen Zweifel daran, dass wir sie niedermähen können wie Weizenhalme, wenn es uns nur gelingt, sie ins Freie zu locken«, meinte Salim. »Darin liegt unser größtes Problem.«
    »Ich habe gesehen, wie der Sultan einen tal oder einen Sandhügel benutzt hat, um eine Kavallerietruppe dahinter zu verbergen«, warf ein kurdischer amir ein, ein kleiner, untersetzter Mann namens al-Khani. »Und dann hat er den Feind mit einer zahlenmäßig unterlegenen Truppe zum Kampf verleitet und so in eine Falle gelockt. Vielleicht könnten wir hier eine ähnliche List anwenden.«
    »Ich kenne diese Taktik, von der du sprichst«, erwiderte Salim. »Aber mein Vater pflegt sie nur anzuwenden, wenn er gegen Gegner kämpft, die weit von ihrer heimatlichen Umgebung entfernt sind. Hier haben wir es mit Fußsoldaten zu tun, die uns als

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