Wuestentochter
seine wundersame Genesung, um sie in Frage zu stellen. Und Khalidah hatte nicht die Absicht, von sich aus auf diese seltsame Nacht zu sprechen zu kommen.
Ghassan hatte ihnen das Pony überlassen, und sie kamen nun, da die Pferde weniger Gewicht zu tragen hatten, schneller vorwärts, folgten Pfaden, die sich durch Berge wanden, die Sulayman fast so gut zu kennen schien wie Ghassan. Endlich wurden die Hügel niedriger, die Luft wärmer, und sie gelangten zu einer gleißend hellen, weitläufigen weißen Wüste, die im Sonnenlicht glitzerte. Khalidah konnte es kaum erwarten, Zahirah endlich wieder galoppieren zu lassen, doch als sie dies Sulayman gegenüber erwähnte, schüttelte dieser nur grimmig den Kopf.
»Was du dort siehst, ist kein Sand, sondern Salz«, erklärte er. »Es ist eine kavir - eine Salzwüste. Dieser Teil Persiens ist von ihnen übersät. Einst waren es Marschen, und unter der Salzkruste verbirgt sich immer noch eine Schlickschicht, die dich verschlingen würde wie Treibsand, falls du einbrechen solltest. Es gibt aber sichere Wege, man muss sie nur zu finden wissen, und einer verläuft in der Nähe eines Berges namens Shir Kuh. Aber wir müssen diese Wüste ganz langsam durchqueren.«
»Und dann?«
»Dann reiten wir Richtung Südosten, an Yazd vorbei.«
»Wir sollten dort Halt machen. Unsere Vorräte gehen zur Neige.«
»Ja, und wir brauchen für Khorasan auch noch wärmere Kleider. Aber wir können in Yazd nicht anhalten, wir haben zu vielen Leuten diese Geschichte erzählt. Wenn wir uns die Vorräte gut einteilen, schaffen wir es bis Ravat.«
Khalidah hatte keine Ahnung, wie weit es bis Ravat war. Seufzend fand sie sich damit ab, auch während der nächsten Tage von muffigen Mandeln und getrockneter Kamelmilch leben zu müssen. Sie war zu froh über Sulaymans Genesung, um sich von derartigen Unannehmlichkeiten die Stimmung verderben zu lassen. An diesem Nachmittag ritten sie in ein sonnendurchflutetes felsiges Tal hinunter, hinter dem die eigentliche kavir begann. Ein heißer Wind fegte über die Salzebene hinweg. Sulayman folgte mit größter Vorsicht einem Pfad, den Khalidah nicht zu erkennen vermochte.
Die letzten Zweifel, die sie bezüglich seiner Kenntnisse dieser Gegend gehegt hatte, wurden ausgeräumt, als sie einen Moment lang nicht Acht gab, das Pony von dem unsichtbaren Pfad abkam und schrill wiehernd bis zu den Schultern im salzigen Sand versank. Zum Glück waren Khalidah die Zügel nicht entglitten. Sulayman nahm dem panikerfüllten Tier den Packsattel ab, und gemeinsam gelang es ihnen mit Hilfe der beiden anderen Pferde, das Pony auf festen Boden zurückzuziehen. Es dauerte lange, bis es sich so weit beruhigt hatte, dass sie ihm den Sattel wieder auflegen konnten, und noch länger, bis Khalidahs unkontrolliertes Zittern nachließ.
Nach einigen nervenzermürbenden Stunden stieg das Gelände wieder an, und endlich wich der trügerische Sand steinernem Untergrund. Sie gelangten in ein großes, zu beiden Seiten von schroffen Gipfeln gesäumtes Tal. Zahirah warf den Kopf zurück und fiel in einen leichten Trab, doch Khalidah, der der Schreck noch in den Knochen saß, zog die Zügel an und ließ sie im Schritt gehen. Als die Sonne unterging, tauchte ein Berg vor ihnen auf, dessen Gipfel alle anderen überragte.
»Shir Kuh.« Sulayman blinzelte in die Strahlen der sinkenden Sonne. »Der Löwenberg. Hier rasten wir.«
Sie schlugen ihr Lager in einer geräumigen Felshöhle im Schatten des mächtigen Berges auf. In der Nähe gab es einen kleinen, steinigen Teich, den Sulayman, der einen sechsten Sinn für Wasservorkommen zu entwickeln schien, entdeckte. Doch als Khalidah sich in ihre Decke wickelte, stellte sie fest, dass sie trotz des anstrengenden Ritts nicht schlafen konnte.
»Woran denkst du?«, fragte Sulayman aus dem Halbdunkel ihres heruntergebrannten Feuers heraus.
»An daheim«, erwiderte sie, doch in ihrer Stimme schwang keine Wehmut mit. Nach einem Moment fuhr sie fort: »Ich frage mich, wie sich mein Stamm entschieden hat - ob die Männer sich der Armee des Sultans angeschlossen haben, wie mein Vater es gewünscht hat, oder ob sie feige zu meinem Onkel übergelaufen sind.«
»Ich glaube, die Antwort darauf ist sehr viel komplizierter als eine dieser beiden Möglichkeiten.«
Khalidah schwieg einige Zeit, dann meinte sie: »Ich muss immer an das denken, was Ghassan gesagt hat … dass die zeitliche Übereinstimmung so vieler Faktoren Allahs Werk ist. Besteht wirklich die
Weitere Kostenlose Bücher