Wuestentochter
Weg zu stellen, und mehr als einer fiel. Es handelte sich um alte Männer und Jungen, die für den Dienst in der Festung oder der Armee des Königs nicht geeignet waren, und eigentlich hätten sie alle ihre Häuser nie verlassen, geschweige denn gegen professionelle Kavalleristen kämpfen dürfen. Innerlich verwünschte Bilal sie dafür, aber wenn sie ihn angriffen, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie niederzustrecken.
Da der ihnen entgegengesetzte Widerstand leicht zu brechen war, dauerte es nicht lange, bis sie die Festung erreichten, trotzdem war ihnen die Nachricht von dem Überfall schon vorausgeeilt. Die Garnisonssoldaten strömten durch das offene Tor, als Bilals Trupp auf sie zugaloppierte - nicht mehr als ein Dutzend unzureichend bekleidete Franken, die ihrer Angst und Verwirrung kaum Herr wurden. Fast im selben Moment erkannten sie, dass sie einen verhängnisvollen Fehler gemacht hatten, doch es war zu spät. Wie durch Zauberei hatte sich die kleine Schar Beduinen in einen Ring aus tawashiyah verwandelt, der sie von allen Seiten umschloss. Einen Moment lang herrschte Totenstille, dann trafen die Kavallerie und die Fußsoldaten unter wildem Kampfgeschrei aufeinander.
Bilal hielt sich am Rand des Gewimmels und beobachtete von morbider Faszination erfüllt, wie mühelos Salims Reiter die Reihen der Franken dezimierten. Er hatte immer gedacht, einer offenen Schlacht hafte zumindest ein Hauch von Ehre an, aber dies war keine Schlacht, sondern ein Gemetzel. Die Franken hatten von Anfang an keine Chance gehabt, aber sie kämpften tapfer, und Bilal empfand unwillkürlich Mitleid mit ihnen, da er immer mit den hoffnungslos Unterlegenen fühlte. Er erhaschte einen Blick auf Salim, dessen Pferd sich unter ihm aufbäumte. Seine gelbe Tunika war mit Blut bespritzt, ein verzückter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, für den Bilal den Freund einen Augenblick lang fast hasste … und dann senkte er den Kopf und sah nach unten.
Direkt neben seinem Knie stand ein Franke; einer der wenigen Zivilisten, die der bedrängten Garnison zu Hilfe geeilt waren. Er war ungefähr so alt wie Bilal, hatte farbloses Haar und ein pockennarbiges, ausdrucksloses Gesicht, nur in seinen Augen loderte wilde Entschlossenheit. Bilal reagierte nicht sofort, was ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Doch Anjum waren menschliche Sentimentalitäten fremd. Ihr Instinkt und der Umstand, dass sie ausgezeichnet abgerichtet war, trieben sie dazu, auf den Hinterhufen eine Wendung zu beschreiben, als der Franke sein Schwert hob, und den Hieb mit ihrer Flanke abzufangen. In diesem Moment spürte Bilal, wie er sich aus der inneren Erstarrung löste, in der er gefangen war, seit Numair und de Ridefort ihn zu einer Schachfigur ihres Ränkespiels gemacht hatten. Überwältigender Hass auf die Franken, die ihn zum Lügen gezwungen hatten, die es wagten, ihnen Widerstand zu leisten und die sein Land widerrechtlich besetzt hielten, würgte ihn in der Kehle. Er riss Anjum herum, streckte den Jungen mit einem gezielten Hieb nieder und verspürte nichts als kalten Triumph, als er ihm beim Sterben zusah.
»Amman hat sich also ergeben«, sagte der Sultan, als sie an diesem Abend in seinem Zelt saßen, dabei sah er seinen Sohn an. Der tadelnde Ausdruck, der dabei sonst für gewöhnlich in seinen Augen lag, war verwundertem Respekt gewichen. »Du hast deine Sache sehr gut gemacht. Gefangene habt ihr nicht genommen?«
Salim schüttelte den Kopf. »Die Soldaten sind alle gefallen. Aber dafür habe ich das hier gefunden.« Er zog eine Pergamentrolle mit einem zerbrochenen roten Siegel, das einen rennenden Wolf zeigte, aus seiner blutbefleckten Tunika. Als er sie seinem Vater reichte, konnte er seinen Stolz nicht verbergen, doch darunter lag eine Verletzlichkeit, angesichts derer Bilal ihm am liebsten versichert hätte, wie gut er ihn in diesem Moment verstehen konnte. Stattdessen hielt er den Blick respektvoll gesenkt, schielte aber ein paarmal verstohlen zu dem Sultan hinüber, als dieser den Brief zu lesen begann.
»Es ist also so, wie ich gehofft hatte«, stellte Saladin endlich fest. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Besser noch sogar - jeder der südlichen Lords in Jerusalem liegt dem König bezüglich des Grafen Tripolis in den Ohren, und währenddessen ist direkt unter ihren Nasen eine Grenzstadt eingenommen worden … nein, besser könnte es gar nicht sein. Das hast du wirklich gut gemacht, mein Sohn.« Der Prinz errötete noch
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