Wuestentochter
berührten. Sie konnte seine Züge im letzten Zwielicht nur schwach erkennen. »Was denn?« Es fiel ihr schwer, ihrer Stimme einen nüchternen, unbeteiligten Klang zu verleihen.
Er holte tief Atem. »Wenn wir in Qaf sind, werde ich bei deinem Großvater um deine Hand anhalten. Natürlich nur, wenn du einverstanden bist - ich habe lieber gar keine Frau als eine, die mich gegen ihren Willen heiratet.«
Khalidah schwieg einen Moment lang verblüfft. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Ich kann und werde dich in Qaf nicht heiraten.«
Obwohl es jetzt so dunkel war, dass sie ihn nicht mehr sehen konnte, spürte Khalidah, wie er sich innerlich von ihr zurückzog. »Ich nehme an, es war anmaßend von mir, anzunehmen, dass die Tochter eines Scheichs einen einfachen Spielmann haben will«, erwiderte er bitter, dabei gab er ihre Hand abrupt frei. »Wie konnte ich nur denken, du wärst anders als andere Frauen?«
Seine plötzliche Kälte traf sie tief. »Was seid ihr Männer nur für Narren!«, fuhr sie ihn an. »Wenn du mir zugehört hättest, statt deinen verletzten Stolz zu pflegen, wäre dir aufgefallen, dass ich nicht gesagt habe, ich wolle dich nicht heiraten, sondern nur, dass ich es nicht schon in Qaf tun will.«
»Warum denn nicht?«, fragte er zerknirscht.
Sie seufzte, und ihr Zorn verrauchte so schnell, wie er aufgeflammt war. »Weil ich nichts von diesem Land weiß und keine Ahnung habe, welchen Verlauf mein Leben oder deines nehmen wird, wenn wir es erreichen. Weil ich zwar viele moralische Gesetze gebrochen habe, aber trotzdem immer noch eine Muslima bin, und wenn ich heirate, dann nicht unter lauter kuffar. Aber hauptsächlich deshalb, weil ich schwanger werden könnte, wenn wir das Lager teilen, und ich kein Kind in diese Welt setzen will, ehe ich ihm einen sicheren Platz darin bieten kann. Was ich getan habe, hat mich innerhalb meiner Familie und meines Stammes zu einer Ausgestoßenen gemacht, und du - verzeih, wenn ich es so direkt ausspreche, Sulayman, aber es ist nun einmal die Wahrheit - gehörst weder einem Stamm an, noch hast du eine Familie. Wo sollten wir leben? Wie sollten wir uns und unsere Kinder ernähren?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde weder dich noch sonst jemanden heiraten, bis ich weiß, wo ich hingehöre.«
Sie verfiel in ein Schweigen, das mit jedem Moment, wo Sulayman es nicht brach, immer drückender wurde. Gerade als sie sich zu fragen begann, ob sie ihrer Freundschaft irreparablen Schaden zugefügt hatte, sagte er: »Du hast Recht, Khalidah. Ich war ein Narr.« Er strich mit den Fingerspitzen über ihre Wangen. »Keine Versprechen also. Aber wenn - falls wir eine Lebensgrundlage finden, darf ich dann auf eine Antwort hoffen?«
Froh darüber, dass er die Tränen in ihren Augen im Dunkeln nicht sehen konnte, nahm Khalidah sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Ich habe dir meine Antwort doch gerade gegeben.« Und dann fasste sie sich ein Herz und küsste ihn.
In dieser Nacht legten sie sich wie immer in sittsamer Entfernung voneinander zum Schlafen nieder, doch als sie am Morgen erwachten, hielten sie einander eng umschlungen, und Sulaymans Reaktion auf die körperliche Nähe ließ sich nicht verleugnen. Khalidah lag einen Moment reglos da; wohl wissend, dass sie trotz all der Kleidungsschichten zwischen ihnen in seinen Augen so nackt und bloß war, wie sie es niemals für einen anderen Mann sein würde. Dann nahm sie sich zusammen, schüttelte diesen Gedanken energisch ab, setzte sich auf und klopfte den Sand ab, der sich in der Nacht wie ein feiner Film über sie gelegt hatte. Die Dünen hatten die Farbe einer alten Wunde angenommen, ein von Salz und dem Staub toter Armeen erfüllter Wind verdunkelte die aufgehende Sonne. Sie neigte den Kopf und spürte Sulayman hinter sich, wusste aber nicht, ob seine Finger oder der Wind hauchzart über ihr Haar strichen.
Wasser bestimmt den Lauf des Lebens, und in der riesigen Wüste im Herzen Persiens fanden sie in der nächsten Zeit keinen Tropfen davon. Sie ritten tagelang zwischen den Dünen hindurch, doch wenn die Sonne nicht stetig von ihren Gesichtern zu ihren Rücken gewandert wäre, wäre es ihnen so vorgekommen, als hätten sie sich keinen Schritt von der Stelle bewegt. Dann stießen sie eines Abends auf die Ruinen einer kleinen Oase. In dem ausgedörrten Flussbett stand noch eine seichte Wasserpfütze, die die Pferde innerhalb weniger Minuten leer tranken.
»Was mag hier wohl passiert sein?« Khalidahs Blick
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