Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Ogi. Und einem Präsidenten salutiert am UNO-Hauptsitz jeder livrierte Portier.
Der Mann ist verblüfft und um eine rasche Antwort verlegen: Er fühle sich gerade etwas überrumpelt, aber er prüfe das Anliegen des «Special Envoy» selbstverständlich wohlwollend. Einen geschlagenen Monat lang hört Adolf Ogi nichts mehr vom Engländer.
In einer solch grossen Organisation kann die Arbeit auch sehr frustrierend sein.
In London sehen sich die beiden zufällig wieder. Und jetzt lernt Malloch Brown die sprichwörtliche Ungeduld des Adolf Ogi kennen: Er, Ogi, kenne das gar nicht, dass man ihn einen Monat lang mit einer Antwort hängen lasse. «Das war vielleicht etwas hart», meint Ogi Jahre später. Aber gewirkt hat es auf alle Fälle: Der «Special Envoy» erhält sein Büro, inklusive Personal. Vier UNO-Angestellte. An der Spitze Djibril Diallo, Senegalese, früherer Sprecher der UNO-Generalversammlung, Hansdampf in allen UNO-Gängen: Ein Türöffner par excellence. Stets in der farbigen Landestracht in Erscheinung tretend und sehr sichtbar. Ogi ist heute noch Feuer und Flamme für seinen New Yorker Bürochef. Das etwas bodenständigere Team der Schweizer UNOMission und Ogis Mitarbeiter in Genf sind nicht ganz so begeistert. Doch eine grundlegend andere Einschätzung über Djibril will der damalige Missionschef Peter Maurer, heutiger IKRK-Präsident, nicht gelten lassen. Aber: «Dölf hat oft das Gefühl, man sei einer Sache oder einer Person gegenüber schon kritisch eingestellt, wenn man lediglich nicht genauso begeistert ist wie er.»
Und Ogis Büro erhält auch einen standesgemässen Namen: «United Nations Office on Sport for Development and Peace». Samt der obligaten Abkürzung UNOSDP. «Büro der Vereinigten Nationen für Sport im Dienste für Entwicklung und Frieden». Doch es ist nicht immer alles so einfach zu bewerkstelligen, es gibt auch Rückschläge und Widerstände. David Winiger, seit März 2004 Ogis persönlicher Mitarbeiter und später auch Genfer Büroleiter, sagt es so: «In einer solch grossen Organisation kann die Arbeit auch sehr frustrierend sein.» Irgendwann komme man einfach nicht weiter. Und auch die grossen Sportverbände hätten es zeitweise «in sich» gehabt: «Sie lassen sich nicht einfach so dreinreden.» Aber ein Ogi lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Er leistet weiterhin Pionierarbeit als Brückenbauer zwischen Sport und Politik. Die UNO besitzt das entwicklungspolitische Know-how, die Sportverbände das Geld und das sporttechnische Wissen. Plötzlich wird nicht mehr nebeneinander Entwicklungspolitik mit dem Vehikel Sport betrieben, sondern eben miteinander. Lokale Mitarbeiter der UNO und nationale IOC-Vertreter (International Olympic Committee), die sich vorher noch nie gesehen haben, werden durch die Arbeit des «Special Envoy» plötzlich zusammengeführt.
2006 Begehrtes Autogramm auf den Unterarm.
David Winiger hat im Übrigen im März 2004 einen «prächtigen» Einstand als Ogis persönlicher Mitarbeiter und Genfer Büroleiter. Es geht beim Stellenantritt gleich zur Sache: Gemeinsamer Flug nach Marrakesch zur 3. Weltkonferenz zum Thema «Frauen und Sport». Im Flugzeug bietet ihm der neue Chef gleich das Du an: «Ich bin der Dölf.» Zum Dessert werden Früchteküchlein gereicht. Der Teufel will es wissen: Während des Essens bricht Winigers Plastikmesserchen entzwei. Prompt spritzt Himbeersauce auf das blütenweisse Hemd des neben ihm sitzenden neuen Chefs. Und auch die legendäre rot-weiss gestreifte Krawatte des «Special Advisers» wird bekleckert. Ogi trägt diese Lieblingskrawatte stets, wenn etwas Wichtiges ansteht. Ein sichtbares Zeichen ohne Worte auch für seine Mitarbeiter. Wenn er die Krawatte trägt, wissen sie: «Heute gilt es ernst.»
Während der Konferenz geht es im gleichen Stil weiter: Zu Beginn von Ogis Rede funktioniert der Beamer für die mitgebrachte PowerPoint-Präsentation nicht. Wie immer in solchen Situationen, hat das verflixte Gerät zuvor die Probe zusammen mit einem einheimischen Techniker tadellos bestanden. Doch jetzt ist der Techniker verschwunden. Erst mitten im Vortrag nimmt der Beamer seinen Dienst wieder auf … Dölf sei danach sehr ungehalten gewesen, so sein persönlicher Mitarbeiter.
Mittlerweile ist die Sache längst vergessen, denn schliesslich geht es Dölf Ogi bei seinem UNO-Job um mehr als nur um gestreifte Krawatten. Es geht um viel mehr! Peter Maurer sieht als Ständiger Vertreter der Schweiz bei den Vereinten
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