Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
London, erzählt Jahre später schmunzelnd in seiner Residenz am Bryanston Square eine wunderschöne Anekdote. Zwischen ihnen sei es einmal ziemlich laut geworden. Am Freitagnachmittag nach dem Streit sei ihm der Chef dann auf dem langen Korridor im Bundeshaus Ost entgegengekommen, sei ganz nahe an ihn herangetreten und ihm schliesslich auf den Fuss gestanden, damit er nicht fliehen konnte. Toni Thalmann erinnert sich: «Dölf hat freundschaftlich auf mich eingeboxt und ständig wiederholt: ‹Gell, du bist immer noch verruckt! Gib es zu!›»
Seine Mitarbeiter bekommen immer wieder mal seine Ungeduld zu spüren. Er kann dann sehr aufbrausend sein.
Was will man da … Der Botschafter weist in seiner Londoner Residenz vielsagend auf eine japanische Vitrine neben seinem Sessel. Darin sind die «Chempen» aufbewahrt, die er im Laufe der Jahre vom Chef geschenkt bekommen hat – sechs runde Granitsteine aus dem Gasterntal, geformt über Jahrtausende hinweg im Flussbett der wilden Kander. Die andere Art von symbolträchtigen Geschenken, neben den Ogi-Kristallen.
Noch schneller kommt es zur Versöhnung nach einem Streit mit Sonja Bietenhard. Sie hat ihm in seinem Büro eines Tages wutentbrannt ein ganzes Dossier vor die Füsse geknallt: «Dann mach doch dein Zeugs alleine!» Wahrscheinlich hat er in einer tagelang vorbereiteten Rede zum siebten Mal Änderungen verlangt. Zurück im eigenen Büro überfällt sie Panik: «Jetzt hast du deinen Traumjob verloren! Geh sofort zurück und entschuldige dich!» Auf dem Korridor kommt der Chef ihr bereits entgegen. «Es tut mir leid!» – «Es tut mir auch leid!» Was danach geschieht, bezeichnet sie noch heute als filmreif. Es kommt im dunklen Korridor der ersten Etage im Bundeshaus Ost zu einer herzlichen Umarmung zwischen dem Chef und der «Persönlichen».
Es gibt für Adolf Ogi nicht nur den Stab, wichtig ist für ihn das ganze Departement, alle Mitarbeiter. Jeder einzelne. Im Verkehrs- und Energiedepartement besucht er einmal pro Jahr jedes Büro. Er will die Atmosphäre spüren, will wissen, wie es den Mitarbeitern geht. Jeden November veranstaltet er im Haus einen Apéro: «Ich habe mein Büro aufgetan, dass sie es alle sehen konnten», sagt er heute. Er offeriert Wein, Brot und Käse und lässt eine Ländlerkapelle mit Musikanten aus dem eigenen Departement für Stimmung an den trüben Novembertagen sorgen. Er lädt im Februar/März regelmässig sämtliche Mitarbeiter in den Kornhauskeller ein. Manchmal spricht auch ein Sektionschef, der sonst nicht zum Zug kommt. Der Chef nimmt seine leise Kritik sofort auf: «Die Verwaltung braucht heute so viel Zeit, sich zu rechtfertigen, dass sie bald einmal keine Zeit mehr für das hat, was sie rechtfertigt.» Er habe das gehört! Deshalb habe er sich sofort wieder hinter seine Führungsgrundsätze gemacht.
1988 Im Rahmen der nationalen Energiesparkampagne entstand in dieser Schulküche Ogis legendäre Eierkochmethode. Hier kocht er auch noch Reis.
Mit den Lebenspartnerinnen der Amtsdirektoren unternimmt er einmal pro Jahr samstags Velotouren. Immer ist auch etwas «Lehrreiches» dabei, etwa ein Besuch bei einer Gemüsebäuerin im Berner Seeland. Ebenfalls einmal im Jahr unternimmt er am Samstagmorgen mit den Amtsdirektoren eine kurze Wanderung mit anschliessendem Mittagessen.
Später, im Verteidigungsdepartement, stellt er die Treffen mit den Generälen auf eine ganz andere Ebene. Jeder Offizier, der zum Brigadier befördert worden ist, wird künftig im Ständeratssaal feierlich von ihm empfangen – mit Fanfaren. Jeder General wird ebenfalls mit Fanfaren auch wieder verabschiedet. Und für jeden gibt es eine kurze, persönliche Laudatio des Chefs.
Auch im Umgang mit den engsten Mitarbeitern ist Dölf Ogi völlig unkompliziert. Albin Schnider, Tag und Nacht langjähriger Fahrer der Dienstwagen von Ogi, verweist auf seine erste Fahrt mit dem neuen Bundesrat im Jahre 1995. Zuvor hat er Bundesrat Kaspar Villiger chauffiert. «Albi», wie er liebevoll genannt wird, erinnert sich: «Mit Bundesrat Villiger bin ich nie per Du gewesen. Als aber nach fünf Jahren erstmals Ogi hinten gesessen ist, dauert es keine fünf Minuten und wir sind per Du. Ich musste kurz nach der Abfahrt vor dem Bundeshaus Ost auf der Kirchenfeldbrücke nur den richtigen Namen eines Berges am Horizont nennen, da sagt mein neuer Chef: ‹Test bestanden, ich heisse Dölf – und du?› »
Bei Ogis Engagement ist es denn kein Wunder, dass sich bei den Weibeln
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