Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
den Uniformierten mit drei Sternen auf den Schulterpatten. Es ist dringend. Wir haben eine schwierige Situation im Wallis. Ich gebe Ihnen gleich wieder meine Mitarbeiterin. Sie klärt mit Ihnen die Details. Danke für Ihre Unterstützung!»
Es klappt. Schon sehr bald kann Ogi dem Generalstabschef telefonisch den Auftrag erteilen: «Sofort Hilfe vorbereiten, noch bevor das offizielle Gesuch der Walliser Behörden eintrifft. Keine Formulare ausfüllen! Super Puma Helikopter und Soldaten bereitstellen!» Die Rettungsrekrutenschule 75 wird nach Wangen an der Aare aus dem Wochenendurlaub in die Kaserne zurückbefohlen. Schon um Mitternacht können die bereits gut ausgebildeten Retter ins Katastrophengebiet am Simplon verschoben werden.
Die Art und Weise, wie Dölf seine Mitarbeiter ausgesucht hat, lässt heute wohl jedem Headhunter die Haare zu Berge stehen.
Der Bundespräsident will erst am nächsten Tag nach Gondo fliegen, zusammen mit seinem Walliser Kollegen Pascal Couchepin. Heute würde er den Helfern nur im Wege stehen.
Also, weiter nach Genf. Kurzer Flug in die Rhonestadt mit dem alten, kleinen Bundesratsflugzeug King-Air 200. Im Flugzeug kommt der nächste Hammer. Ogi beugt sich im Sessel zu seiner Mitarbeiterin und sagt trocken: «Am Mittwoch trete ich zurück.» Die Entscheidung sei schon länger getroffen worden, unwiderruflich. Noch im Flugzeug wird die Kaskade der Massnahmen vorbereitet, die in den frühen Morgenstunden des 18. Oktober in Gang zu setzen sind.
Dann das Treffen mit Koštunica. Der Mann, der das Ende von Miloševic´ eingeläutet hat, ist völlig übernächtigt. Er habe nur eine Stunde schlafen können. Auch diese Begegnung mit der charismatischen Figur bleibt für immer eingeprägt.
Sonja Bietenhard sagt Jahre später: «An den Ablauf und die Ereignisse vom 14. Oktober 2000 kann ich mich fast noch an jede Viertelstunde erinnern.»
Ja, mit Adolf Ogi zu arbeiten ist intensiv und anspruchsvoll.
Oswald Sigg, zuletzt Regierungssprecher, früher Mediensprecher und enger Mitarbeiter der Bundesräte Willi Ritschard, Otto Stich, Samuel Schmid, Moritz Leuenberger – und, eben, Adolf Ogi, sagt es so: «Ich habe eigentlich nur drei Jahre für Dölf gearbeitet, aber es sind gefühlte sechs Jahre.» Marc Furrer, Radiojournalist und persönlicher Mitarbeiter in den frühen Bundesratsjahren von Adolf Ogi, verdeutlicht die Lage in der Sprache als früherer Spitzenruderer: «Ich musste die Schlagzahl von einem gemütlichen ‹24er› auf einen ‹34er› erhöhen.»
«In der Sache muss man ganz ihm gehören», definiert Philippe Welti das Verhältnis zum Chef. Welti ist in den letzten zweieinhalb Jahren von Ogis Bundesratszeit für die Sicherheitspolitik zuständig. Später wird er Schweizer Botschafter im Iran und in Indien. Aber diese enorme Beanspruchung habe immer auf absoluter gegenseitiger Loyalität beruht.
Ogi beschäftigt seine Mitarbeiter fast rund um die Uhr. Sein persönlicher Mitarbeiter Stefan Aeschimann muss im Pre-Handy-Zeitalter in den Büros des Stabs Gegensprechanlagen installieren lassen. Die Entschuldigung «Ich bin gerade mit Nationalrat so und so am Telefon» gilt nach der Installation nicht (mehr). Ogi macht rasch klar, wer und was hier Priorität hat.
Das Assessment, das Personalauswahlverfahren, ist ebenfalls typisch Ogi, und die Art und Weise, wie Dölf seine Mitarbeiter ausgesucht hat, lässt heute wohl jedem Headhunter die Haare zu Berge stehen: Marc Furrer klingelt er an einem Donnerstagmorgen zu Beginn des Jahres 1988 um sieben Uhr morgens aus dem Hotelbett in Zürich. Der Radiojournalist absolviert gerade einen Informatikkurs. Ogi teilt ihm telefonisch mit: Er brauche noch einen persönlichen Mitarbeiter. Furrer habe bis Sonntagabend Zeit, sich zu entscheiden.
Dölf Ogi hat den Radiomann schon während der Nationalratszeit kennen- und schätzen gelernt. Das genügt. Marc Furrer wechselt später im Alter von 41 Jahren als Direktor ins Bundesamt für Kommunikation (BAKOM). Heute steht er der Eidgenössischen Kommunikationskommission ComCom vor.
Mit Weibel Anton Lötscher in Ogis Büro in Bern. 2000
Mit Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer (ganz links) an der Wahlfeier seines Nachfolgers Samuel Schmid (r.) in Rüti bei Büren. 2000
Der Verteidigungsminister spricht mit beschwörenden Worten von «Dimensionen, die mit den Stichworten Waffenhandel, organisierte Kriminalität und Geheimarmee umschrieben werden können».
Stefan Aeschimann wiederum, im Jahr 1991
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