Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Sekretär beim Gewerbeverband, erhält gegen Ende des Jahres kurzfristig den Auftrag, einen Lebenslauf einzuschicken. Am 23. Dezember geht das Vorstellungsgespräch über die Bühne. Hat Ogi einen der Kandidaten noch nicht so gut gekannt, so sind diese Gespräche jeweils sehr ergiebig: Alles geht blitzschnell, eine Frage jagt die andere. Der Fragesteller weiss jeweils schon erstaunlich gut Bescheid über das Gegenüber. Heiligabend sagt Aeschimann zu. Er bleibt 11 Jahre. Zuerst als persönlicher Mitarbeiter, später als stellvertretender Generalsekretär. 1999 wechselt er zum Büronachbarn von Adolf Ogi im Bundeshaus Ost, zu Bundesrat Pascal Couchepin als dessen Generalsekretär. Heute ist Stefan Aeschimann Leiter der Corporate Public Affairs beim Schweizer Energiekonzern Alpiq.
Die Anstellung von Oswald Sigg gestaltet sich da schon etwas schwieriger. Man trifft sich Ende 1997 zufällig auf der Strasse. Sigg ist zu dieser Zeit Kommunikationschef der SRG. Sie tasten sich in mehreren Gesprächen an ein Arbeitsverhältnis heran. Zuerst scheint Oswald Sigg dem VBS-Chef «zu teuer» zu sein. Was absolut nicht der Fall ist. Dann entpuppt sich die Parteizugehörigkeit von Sigg als Krux. Er ist SPMitglied. Doch Ogi sieht auch die andere Perspektive: Ob er, Sigg, sich überhaupt vorstellen könne, bei einem SVP-Bundesrat zu arbeiten? Schliesslich kommen beide zu dem Schluss: «Doch, es geht.» 1998 beginnt Sigg bei Ogi zu arbeiten.
Ein weiterer Glücksgriff. Anderthalb Jahre später, im Sommer 1999, «lotst» Sigg den VBS-Chef durch die aufsehenerregende Bellasi-Affäre. Hauptmann Dino Bellasi, Rechnungsführer beim Strategischen Nachrichtendienst, hat nicht weniger als 8,8 Millionen Franken unterschlagen. Lange steht auf der Kippe, ob es sich bei diesem Skandal um eine schlichte Köpenickiade handelt oder um eine veritable Staatsaffäre. Bellasi behauptet nämlich hartnäckig, auf Befehl von oben am Aufbau eines streng geheimen Schattennachrichtendienstes gearbeitet zu haben, samt einer bis auf die Zähne bewaffneten Geheimarmee. Das Gericht kommt Jahre später zum Schluss, dass er als Einzeltäter gehandelt hat. Also doch nur eine Köpenickiade.
Unvergessen dazu bleibt die Pressekonferenz vom 22. August 1999: Auf Rat von Oswald Sigg lässt Ogi an diesem Sonntag zu abendlicher Stunde noch die Medienleute zusammentrommeln, die in Bern gerade verfügbar sind. Der Verteidigungsminister spricht tief besorgt und mit beschwörenden Worten von «Dimensionen, die mit den Stichworten Waffenlager, Waffenhandel, organisierte Kriminalität und Geheimarmee umschrieben werden können». Diese Dimensionen bleiben der Schweiz erspart.
Es stellt sich die Frage, ob Ogi diese Affäre ohne den medialen Flankenschutz von Oswald Sigg politisch überlebt hätte.
Max Friedli, früher Weggefährte Ogis als Generalsekretär der SVP und später Direktor des Bundeamtes für Verkehr, sagt: «Adolf Ogi hat nicht nur eine gute Nase für Themen, sondern auch für die richtigen Mitarbeiter gehabt.» Ogi habe immer über Köpfe geführt, erinnert sich Stefan Aeschimann: «Jedes Dossier hat ein Gesicht gehabt.» Als in den frühen Bundesratsjahren die Verkehrspolitik ein Gesicht braucht, holt sich Ogi den früheren CVP-Generalsekretär Hans Peter Fagagnini ins Bundesamt. Wieder ein Glücksgriff.
Doch seine Mitarbeiter bekommen auch immer wieder mal seine Ungeduld zu spüren. Er kann dann sehr aufbrausend sein. Toni Lötscher, sein persönlicher Bundesratsweibel im letzten Amtsjahr, fühlt sich am ersten Arbeitstag, als sei er im falschen Film gelandet: Geschäftsleitungssitzung in Zimmer 245 im zweiten Stock des Bundeshauses Ost. 25 bis 30 Leute, darunter sämtliche Korpskommandanten. Die Generäle rauchen wie die Bürstenbinder – Zigaretten, Zigarren, Pfeife, «Krumme». Als der Weibel dem Chef den obligaten Grüntee bringt, bekommt er zufällig mit, wie Ogi einem Pressemitarbeiter im Moment gar nicht grün ist: Er entlässt ihn unter der Tür und auf der Stelle.
Am Abend ist der gute Mann natürlich wieder eingestellt.
Der Sturm hält nie lange an, und er darf auch gar nie lange anhalten. Stefan Aeschimann bringt es auf einen einfachen Nenner: «Dölf erträgt Dissonanzen in Dossiers, aber nicht mit Menschen.» Also muss die Sache möglichst rasch bereinigt werden, möglichst noch vor dem Wochenende.
Anton Thalmann, damals in Bern als stellvertretender Generalsekretär für den Bereich Sicherheitspolitik zuständig, heute Schweizer Botschafter in
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