Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
verköstigen. Wem der Weg zu steil wird, der reiht sich hinter dem Chef ein und wird durch den festen, sicheren und beruhigenden Tritt des Bergführer-Sohnes bergauf geführt. Toni Thalmann umschreibt das Grundvertrauen, das man in Ogi heute noch hat, so: «Er ist einer, dem man beim Sprung über eine Gletscherspalte folgt, weil man weiss, dass er die Risiken wie ein Bergführer instinktiv abschätzt und dann mutig mit dem Beispiel vorangeht.»
Beim Walliser «Morgenrapport» ist diesmal auch Roland Squaratti mit von der Partie, der Gemeindepräsident des vor elf Jahren so arg geschundenen Walliser Dorfes Gondo. Rasche, unbürokratische Hilfe ist bei Adolf Ogi kein leeres Wort. Sonst wäre der Squaratti an diesem Tag, mehr als ein Jahrzehnt nach der Katastrophe von Gondo, wohl nicht mitgekommen.
Immer wieder werden bei Ogis Leuten Erinnerungen an die Ereignisse wach, die zu einem Stück Schweiz geworden sind. Stefan Aeschimann hat das «Freude herrscht!» hautnah miterlebt und liefert einen verblüffenden Erklärungsansatz für dieses unvergessliche Bonmot. Am denkwürdigen 7. August 1992 begleitet Aeschimann den Chef ins Verkehrshaus Luzern. Ogi amtet zu der Zeit als Bundespräsident, weil er als Vizepräsident des Bunderates Bundespräsident René Felber vertreten muss, der leider an Blasenkrebs erkrankt ist. Dölf will dem ersten und bisher einzigen Schweizer Astronauten Claude Nicollier über eine direkte Verbindung ins Weltall gratulieren. An Bord des Space Shuttle Atlantis umkreist Claude Nicollier in diesen ersten Augusttagen des Jahres 1992 136 Mal die Erde.
Stefan Aeschimann ist gar nicht «amused» darüber, wie Bundesrat Adolf Ogi im Verkehrshaus behandelt wird. Wie ein Hausierer … Ein unfreundlicher Techniker empfängt den Bundesrat. Kein gutes Wort. Die Spezialisten der damaligen PTT und der ESA, der europäischen Weltraumbehörde, haben in diesem Moment andere Sorgen. Eine Verbindung aus Luzern über die amerikanische NASA zur Raumfähre Atlantis ins All herzustellen, ist äusserst komplex und anspruchsvoll. Aeschimann erinnert sich: «Die Art und Weise, wie der Chef behandelt worden ist, hat mich verärgert, es hat an jeglichem Respekt gefehlt.» Ogi spürt die Verärgerung seines Mitarbeiters. Und wenn sich ein so enger Mitarbeiter ärgert, dann ärgert auch er sich. Und zu allem Überfluss wollen sie ihm auch noch vorschreiben, was er zu sagen hat!
Es herrscht gar keine Freude. Doch einmal mehr verschiebt sich die Ogische Energie blitzschnell von Ärger in Freude – und zwar genau in dem Moment, in dem die Verbindungins Weltall steht: «Bonjour, Monsieur Nicollier. Grüess Gott. Freude herrscht!» Der Satz steht in keinem Manuskript. Ein spontaner Einfall.
Stefan Aeschimann wagt die Frage: Wäre ihm das Bonmot auch eingefallen, wenn er sich zuvor nicht geärgert hätte? Es könnte sein, dass der unfreundliche Empfang im Verkehrshaus Luzern das «Freude herrscht!» letztlich ausgelöst hat.
Oder das Thema «Eierkochen»! Hier ist Marc Furrer der nahe Zeitzeuge. Nach dem Verzicht auf das Kernkraftwerk Kaiseraugst ist ab Oktober 1988 Energiesparen angesagt. Über Fernsehen, Radio und Zeitungen präsentiert sich Energieminister Adolf Ogi als energieeffizienter Eierkoch. Er, der mit Kochen nun wirklich nichts am Hut hat. Er kann alles, nur nicht kochen. Die Aktion läuft unter dem Titel «Bravo». Die Handtücher mit der Aufschrift «Bravo» sind längst in Vergessenheit geraten. Ogi, noch kein Jahr im Amt, kreiert damals schon bleibende Bilder. Wohlverstanden, die Bilder stammen nicht aus einem TV-Werbespot, sondern aus einem Medienanlass in einer Berner Kochschule. Die Idee, den Bundesrat an den Herd zu stellen, stammt nicht von Ogi selbst, sondern von einer Arbeitsgruppe im Departement. Federführend ist das Bundesamt für Energie. Marc Furrer ist das Bindeglied zum Departementsvorsteher.
Furrer hat das Eierkochen als Ereignis in Erinnerung, das längst nicht die Bedeutung einer NEAT besitzt, einer Bahn 2000 oder den ersten Verkehrsverhandlungen mit der EU. Die Aktion sei erst mit der Zeit hochstilisiert worden. Bleibender ist der Eindruck, dass die Arbeitsgruppe etwas «mühsam» war. Doch die Idee zündete. Dank Ogi. Höchstens eine Minute ist er am Herd gestanden, doch das Bild ist auch noch Jahrzehnte später gegenwärtig – als symbolischer Akt: Energiesparen fängt nun einmal bei sich selbst an. Nicht zu viel Wasser nehmen, Deckel auf die Pfanne, dann kocht das Wasser schneller –
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