Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Hauptprobe am Vorabend darüber abgestimmt worden ist. Resultat, soweit sich Ruth Dreifuss erinnert:
3 Jodler dafür
1 Jodler dagegen
26 Enthaltungen
Nachdem man dann auf dem harten Schangnauer Holzboden sogar noch ein bundesrätliches Tänzchen gewagt habe, so die damalige Umweltministerin, sei man doch noch einigermassen gut gelaunt von dannen geflogen. Zur üblichen Geschenkübergabe für den hohen Besuch im Emmental kommt es allerdings nicht. Noch nicht …
Am späten Abend, der Bundesrat weilt jetzt in Kandersteg, wird Bundespräsident Adolf Ogi plötzlich vors Hotel gerufen. Da steht doch tatsächlich eine Schar Schangnauer – mit den Geschenken. Man habe es am Nachmittag ganz vergessen … Eine prächtige Emmentaler «Züpfe» sei es gewesen, auf einem grossen Holzbrett samt eingravierter Widmung … das Brett habe sie immer noch, sagt Ruth Dreifuss.
Doch die Landesregierung weiss nicht, dass es auf der Kippe gelegen ist, ob man diesem Bundesrat überhaupt noch etwas vortragen soll.
Und wenn Ruth Dreifuss schon in ihren Erinnerungen an diese denkwürdige Schulreise kramt: 1993 ist sie noch die einzige Frau im Bundesrat. Erst im Frühjahr 1999 erhält sie mit der jungen Ruth Metzler aus Appenzell Innerrhoden Verstärkung. Und so fällt halt einer Frau in einem solchen Männergremium mit der Zeit zwangsläufig dieses und jenes über das männliche Geschlecht auf. Zum Beispiel, dass die Männer Dölf nach dem Essen in Kandersteg necken, weil es im Hotel keinen Lie gibt. Die Kollegen hätten damals einen richtigen Fimmel für diesen Schnaps gehabt. Sie nehme an, dass dieser Fimmel von Jean-Pascal Delamuraz aus dem Waadtland gekommen sei. Zur Erklärung: Lie wird aus dem Hefedepot vergorener weisser Trauben im Gärtank gebrannt. Lie ist alles andere als ein Luxusprodukt, wie es Genügende im schönen Hotel gibt.
«Was, kein Lie! Wo sind wir hier eigentlich?»
Sie habe dieses Getue ziemlich genervt.
Im Leben der beiden Freunde im Bundesrat gibt es auch nach der Zeit im Amt verblüffende Parallelen. Beide engagieren sich auf der internationalen Bühne, auf höchster Ebene. Dölf für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden, Ruth für Menschenrechte, gegen die Todesstrafe sowie in der internationalen Drogenpolitik. Sie verziehen sich nicht, von kleineren Ausnahmen im Falle von Dölf abgesehen, in irgendwelche Verwaltungsräte, sondern dienen weiterhin der humanitären Tradition der Schweiz.
2010 Gedenkfeier für die Opfer der Unwetterkatastrophe vom Oktober 2000 in Gondo mit Gemeindepräsident Roland Squaratti, Schweizer des Jahres 2000.
Unser Chef
Samstag, 14. Oktober 2000. Der Tag beginnt für Sonja Bietenhard im Courant normal. Enden wird er als der anspruchsvollste, eindrücklichste und atemloseste Tag in ihrem ganzen Leben.
Die persönliche Mitarbeiterin reist mit dem Chef nach Basel zur SVP-Delegiertenversammlung. Da Bundespräsident Adolf Ogi nicht im Fokus steht, verbringt er einen ruhigen Morgen. Zielscheibe ist diesmal seine Kollegin Ruth Dreifuss – der hohen Gesundheitskosten wegen. Am späten Nachmittag soll es weitergehen nach Genf, wo der neue jugoslawische Präsident, Vojislav Koštunica, auf dem Rückflug vom EU-Gipfel in Biarritz noch kurz dem Schweizer Bundespräsidenten seine Aufwartung machen möchte.
Unheil liegt in der Luft. Im Wallis will und will es nicht aufhören zu regnen.
Kurz vor Mittag erreicht Sonja Bietenhard eine dramatische Meldung aus dem Pikettdienst des VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport). Schwere Unwetterkatastrophe im 150 Seelen-Dorf Gondo. Eine Schlamm- und Gerölllawine hat innerhalb von wenigen Sekunden die halbe Ortschaft weggerissen. Es ist mit einer hohen Zahl von Toten zu rechnen.
Sonja Bietenhard unterrichtet den Chef. Und der Chef befiehlt.
«Sofort Verbindung herstellen mit Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer!»
Doch der Drei-Sterne-General steckt im Festumzug der Olma in St. Gallen.
Schon bald erteilt Ogi dem Generalstabschef telefonisch den Auftrag: «Sofort Hilfe vorbereiten! Keine Formulare ausfüllen!»
«Verbinde mich mit der Kantonspolizei St. Gallen!»
Sonja Bietenhard ruft sofort die Einsatzzentrale in St. Gallen an und reicht ihr Handy dem Chef weiter. Sie hat das Gespräch noch im Ohr.
«Guten Tag, hier Ogi. Erkennen Sie meine Stimme? Gut. Ich erteile Ihnen den Auftrag, so schnell wie möglich Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer aus dem Olma-Umzug zu holen. Es handelt sich um
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