Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Haldimann durchbricht schliesslich die Stille: «Jetzt müssen wir aber auch noch den Angeklagten anhören.»
Ogi steht auf. Zuerst entschuldigt er sich, dass er im Kampfanzug gekommen ist. Sein freisinniger Bataillonskommandant habe ihn wohl absichtlich zu spät zur SVP gehen lassen.
Dann kommt der schlagfertige Konter, bereits damals typisch Ogi: «Ich bin schon überrascht, wie scharf da auf mich geschossen und eingeprügelt wird. Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich den Helm anbehalten – und das Sturmgewehr gleich auch noch mitgebracht!»
Schallendes Gelächter.
Die Wahlveranstaltung nimmt fortan ihren gewohnten Gang.
Es ist der Beginn einer steilen Karriere innerhalb der SVP. Am 21. Oktober 1979 wird Adolf Ogi auf der Emmentaler Liste mit einem hervorragenden Resultat gewählt. 1984 wird der Quereinsteiger Präsident der Schweizerischen SVP, am 9. Dezember 1987 Bundesrat.
Die Boulevard-Zeitung «Blick» bleibt eine mehr oder weniger treue publizistische Begleiterin des politischen Aufsteigers. Auch dank des journalistischen «Chefgewissens» im Hause Ringier, Frank A. Meyer. Der Sohn eines Bieler Uhrmachers ist fasziniert vom Werdegang des Kandersteger Förstersohns: Ein Mann aus einfachen Verhältnissen wird Bundesrat. Kein Intellektueller, sondern eben ein Mann aus dem Volk, wie Willi Ritschard.
Viel später bringt Historiker Jürg Stüssi-Lauterburg in seiner Bibliothek am Guisanplatz, vormals Eidgenössische Militärbibliothek, Ogis Verankerung in der Bevölkerung auf einen einfachen Nenner: «Er ist einer von uns und wir trauen ihm zu, das Bundesratsamt auszuüben.» Eine äusserst seltene Kombination sei das.
Als Ogi in den Nationalrat gewählt wird, ist die SVP erst acht Jahre alt. 1971 fusionieren die beiden Schweizer Traditionsparteien – die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und die Demokratischen Parteien aus mehreren Kantonen, in erster Linie in Graubünden, Glarus und Zürich – zur Schweizerischen Volkspartei (SVP). Eine politische Ehe, die im Kern gar nie funktionieren konnte. Vor allem nicht nach dem kontinuierlichen und politisch spektakulären Aufstieg des Zürcher Flügels unter Christoph Blocher. Die Wurzeln der Demokraten sind zu liberal, ja sogar zu sozialliberal. Auch die einst mächtige, konservative Berner BGB besass durchaus eine soziale Ader und legte grossen Wert auf gute politische Umgangsformen.
Es muss so kommen: Jahre später spaltet sich die Bürgerlich Demokratische Partei (BDP) von der SVP ab. Die wichtigsten Exponenten haben ihre politischen Wurzeln bei den früheren Demokraten in Graubünden und Glarus sowie im liberalen Flügel der einst mächtigen Berner BGB, der Partei der grossen Figuren Rudolf Minger und Traugott Wahlen.
Mitten in diesem Spannungsfeld steht auf der einen Seite Adolf Ogi und auf der anderen Seite ein weiterer politischer Senkrechtstarter: Christoph Blocher. 1979 schickt SVP-Generalsekretär Max Friedli die beiden «Nachwuchstalente» zusammen in einen Rhetorikkurs zu TV-Mann Martin Furgler, dem Bruder des damaligen Bundesrates Kurt Furgler. Diese Veranstaltung sei die erste und letzte dieser Art gewesen, die sie je zusammen besucht hätten, sagt Christoph Blocher Jahre später in der Galerie des Alpes im Bundeshaus: «Das ist das Dümmste, was man machen kann, man verliert die ganze Natürlichkeit.»
Max Friedli, der spätere Direktor des Bundesamts für Verkehr, lernt Adolf Ogi auf einer Finnenbahn kennen. Rein zufällig. Dölf sei «geseckelt» wie ein Verrückter. So nebenbei habe Ogi ihm dann noch ganz ausser Atem gesagt, dass er für den Nationalrat kandidiere.
Friedli spürt das Talent des Sportmanagers: Jung, dynamisch, ganz anders als die Altehrwürdigen der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei. Der Mann könnte ein Zugpferd werden! Diese Gedanken sollten sich bewahrheiten.
1987 Ogi wird von der Berner SVP einstimmig zum Bundesratskandidaten nominiert. Zu seiner Linken Werner Salzmann, SVP-Präsident Amt Fraubrunnen, rechts Ständerat Ulrich Zimmerli.
Bereits früh zeichnen sich politische Spannungen mit Christoph Blocher ab. Aber der vermeintliche «Erzfeind» betont noch heute: «Wir haben grosse politische Differenzen gehabt, vor allem natürlich in der Aussenpolitik, aber immer im gegenseitigen menschlichen Respekt.»
Dann folgen die ereignisreichen Tage im August 1987. Zunächst: Dienstag, 9. August, 18.00 Uhr. Nationalrat Adolf Ogi hält beim Lions Club Herzogenbuchsee ein Referat. Mitten im Reden
Weitere Kostenlose Bücher