Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
befürworten. Arnold Koller, Kaspar Villiger und Otto Stich sind dagegen. Eine klassische 4:3 Entscheidung.
In die Annalen geht diese Entscheidung als Eigentor des Jahrhunderts ein. Sie wird zur Steilvorlage für Blocher im Vorfeld der EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992, ohne die das Schweizer Volk vielleicht Ja gesagt hätte. Ogi sieht dies im Nachhinein anders: «Dieser Schritt war zu diesem Zeitpunkt richtig und, vor allem, ehrlich. Hätte man die EWR-Abstimmung abgewartet und erst dann die Karten auf den Tisch gelegt, wäre das unredlich gewesen. Wir haben unsere Strategie noch vor der EWR-Abstimmung offengelegt.»
Christoph Blocher erinnert sich noch heute an seine Worte: «Dölf», habe er damals zu ihm gesagt, «in die EU! Das ist das ‹Verreckteste›, was man machen kann. Unabhängigkeit der Schweiz. Direkte Demokratie. Neutralität. Alles aufgeben? Niemals!» Im Vorfeld der EWR-Abstimmung kommt es während einer denkwürdigen SVP-Delegiertenversammlung in Bern zur direkten Konfrontation. Bundesrat Adolf Ogi muss den EWR im Auftrag des Bundesrates vor den Delegierten gegen Christoph Blocher vertreten, aus innerer Überzeugung. Blocher gewinnt. Die Versammlung beschliesst mit 289 zu 119 Stimmen die Nein-Parole. Ogis Nachfolger als Parteipräsident, der frühere Thurgauer Ständerat Hans Uhlmann, berichtet auf seinem Bauernhof im thurgauischen Bonau: «Die Niederlage hat Dölf tief getroffen.» Uhlmann steht in dieser die ganze Schweiz bewegenden Frage auf Blochers Seite. Dölf sei manchmal sehr empfindlich gewesen, und er hätte sich öfters gewünscht, Ogi wäre etwas zurückhaltender in der Öffentlichkeit aufgetreten, aber nach dieser Niederlage habe er dessen grenzenlose Enttäuschung verstanden.
Der Thurgauer Fuchs bewegt sich als Parteipräsident geschickt zwischen den Polen. Die «NZZ» schreibt nach Uhlmanns Rücktrittserklärung als Parteipräsident im November 1995: «Wenn es wetterleuchtete irgendwo zwischen Zürich und Bern, verstand es der Thurgauer in seiner Funktion als Präsident stets, sich aus dem Epizentrum des jeweiligen Spannungsfeldes herauszuhalten.» Die Schweizerische Depeschenagentur (sda) hält etwas kritischer fest: Uhlmann habe, nicht unbedingt zur Freude des Berner Flügels, bei den parteiinternen Auseinandersetzungen um Stilfragen und Inhalte jede Festlegung vermieden, welche dem Zürcher Flügel hätte missfallen können.
Bundesrat Leon Schlumpf (l.) gratuliert Ogi zur Wahl als SVPPräsident. 1984
Bundesrat Ueli Maurer mit seinem Parteikollegen im Zielraum des Lauberhorn-Weltcuprennens. Ogi hat diese Abfahrt selber mehrfach bewältigt. 2009
Noch weit über seine Präsidialzeit hinaus tritt Hans Uhlmann als Vermittler auf, wenn sich Ogi und Blocher wieder einmal zu sehr in die Haare geraten sind. Meist im frühen Morgengrauen trafen sie sich – wie die Duellanten des 19. beziehungsweise frühen 20. Jahrhunderts – nein, nicht auf der taufeuchten Wiese vor der Stadt, sondern im Büro von Adolf Ogi. Uhlmann und Blocher werden jedenfalls immer wieder mal um 7.00 Uhr in der Früh strammen Schrittes Richtung Bundeshaus Ost beobachtet. Hans Uhlmann, nicht Blocher, ist auch der erste Ziehvater von Toni Brunner. «Was tuesch denn du do?», fragt er im April 1992 einen 17-jährigen Burschen, den es in den Schwarzen Adler im sankt-gallischen Gossau verschlagen hat. Es ist Toni Brunner. Er habe gehört, so der Bursche, dass hier die St. Galler SVP gegründet werde, und er wolle unbedingt Mitglied werden. SVPPräsident Hans Uhlmann leitet an diesem Samstag die Gründungsversammlung. Das Datum ist richtig. Die heute stärkste Partei im Kanton St. Gallen besteht tatsächlich erst seit 1992 und Toni Brunner ist mittlerweile Präsident der SVP Schweiz.
Ogi und Blocher: Eine faszinierende Beziehung zweier «Alphatiere»: Adolf Ogis persönliche Mitarbeiterin Sonja Bietenhard spielt auch in turbulenten Zeiten als «Persönliche» Bindeglied zur Partei. Sie «überbeisst» manchmal fast, wie sie selber sagt. Wenn an den Kiosk-Aushängen in grossen Lettern wieder einmal Krach zwischen Ogi und Blocher angesagt ist, kommen ihr die beiden prompt lachend und feixend im Gang entgegen. Ihr Chef hat Christoph freundschaftlich den Arm über die Schulter gelegt. Das ist halt auch Ogi: Er kann keinem böse sein – auf Dauer. Und Blocher sagt heute über Ogi: «Menschlich – und das ist jetzt kein blöder Spruch – haben wir immer ein gutes Verhältnis gehabt.» Klar habe es immer wieder
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