Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Rücktrittsschreiben vor seinen Augen zerrissen habe. Ogi weist ihn immer wieder an, den Brief in noch kleinere Stücke zu zerteilen.
Damit er ihn nicht wieder zusammensetzen kann.
2005 Kleine Pause in der Central Station: Roger Federer unterstützt Ogi in New York während des UNO-Jahres des Sports und der Sporterziehung auch auf unkonventionelle Art und Weise.
1993 Traditionelle Albisgüetli-Tagung der SVP in Zürich. Ehrengast Ogi wird belagert, spricht und hört dem damaligen Zürcher SVP-Präsidenten Christoph Blocher zu.
Meine Partei, die SVP
Kaum ist er in der SVP, will ihn gleich wieder einer rausschmeissen. Nicht Christoph Blocher, nein. So etwas wäre dem Herrliberger nie im Traum eingefallen. Trotz allem …
Anfang Oktober 1979, Hotel Bahnhof, Konolfingen im Emmental, kurz vor den National- und Ständeratswahlen.
Adolf Ogi, der Architekt der grossen Erfolge für die Skination Schweiz in den Siebzigerjahren, will in den Nationalrat. Für die SVP. Ein Jahr zuvor ist er der Partei beigetreten. Die junge Familie wohnt damals in Rüfenacht und Adolf Ogi wird folgerichtig Mitglied der nächstgelegenen Berner SVPSektion Worb.
Heute stellt er sich im Hotel Bahnhof in Konolfingen seinen potentiellen Wählern vor. Ogi kandidiert auf der Emmentaler Liste der SVP auf schier hoffnungsloser Position, nämlich auf Listenplatz 21 von insgesamt 27. Er sagt damals «Startnummer», noch immer ist er in erster Linie Sportler, nicht Politiker.
Eines schönen Tages sind sie zu ihm gekommen, Gottlieb Geissbühler, bernischer Grossrat und Präsident der Berner SVP, und Peter Schmid, späterer Berner SVPRegierungsrat, der Bruder von Ogis Nachfolger im Bundesrat, Samuel Schmid. In der Bellevue Bar der Hauptstadt sind sie spätnachmittags rasch zur Sache gekommen: «Wir wollen dich auf der Nationalratsliste!» Und zwar am besten auf der Emmentaler Liste, die könnte einen Stimmenfänger wie ihn noch gut gebrauchen. Zuerst muss Adolf Ogi im Skiverband nachfragen, ob er überhaupt kandidieren dürfe. «Ja, gern», lautet der positive Bescheid. Also sagt Ogi zu.
Jetzt müsse man dem Mann wohl oder übel schonend beibringen, dass alles wieder anders sei. Aber man sollte das dem Hofmann Fritz offen ins Gesicht sagen.
Doch zuerst muss noch etwas erledigt werden. Ogi nennt es noch heute eine «schier unglaubliche Geschichte». Als er dem Präsidenten der Sektion Worb, dem Landwirt Walter Reber, offenbart, was die Parteioberen mit ihm vorhaben, wird der arme Bauersmann ganz bleich im Gesicht: «Wir haben unseren Kandidaten bereits bestimmt, Gärtnermeister Fritz Hofmann aus Worb.» Jetzt müsse man dem Mann wohl oder übel schonend beibringen, dass alles wieder anders sei. Aber man sollte das dem Hofmann Fritz offen ins Gesicht sagen. Also fahren sie zusammen in die Gärtnerei Hofmann. Fritz Hofmann habe es sofort akzeptiert, ohne Wenn und Aber. Dölf habe bessere Chancen.
So sitzt Nationalratskandidat Ogi nun also im Saal des Hotels Bahnhof in Konolfingen. Er wäre fast zu spät gekommen, denn er steckt im nahen Raum Bumbach-Schangnau mitten im Wiederholungskurs. Das scharfe Gefechtsschiessen hat etwas länger gedauert, sodass keine Zeit mehr zum Umziehen bleibt und Hauptmann Adolf Ogi deshalb im Kampfanzug zur grossen Wahlveranstaltung erscheint. 600 erwartungsvolle Leute sind im Saal.
Habt ihr gesehen, dass unser Kandidat Ogi in dieser Sauzeitung Werbung macht? Eine halbe Seite. So einen muss man sofort aus der Partei ausschliessen!
Notar Haldimann aus Biglen eröffnet die Versammlung. Da streckt sofort einer der Anwesenden die Hand in die Höhe und verlangt das Wort. Haldimann erteilt es dem sichtlich erregten Mann. In der Hand hält der Emmentaler den «Blick» vom Mittwoch, den 10. Oktober 1979. Er öffnet die Zeitung und verweist auf Seite 19: «Habt ihr gesehen, dass unser Kandidat Ogi in dieser Sauzeitung Werbung macht? Eine halbe Seite. Das ist verwerflich. So einen muss man sofort aus der Partei ausschliessen!»
Stein des Anstosses ist ein grosser Artikel in der Boulevardzeitung unter der Schlagzeile: «Adolf Ogi muss in den Nationalrat!» Der Leistungssport brauche einen schlagkräftigen Vertreter in den Bundesbehörden, heisst es in der Oberzeile. Die Byline, die Autorenzeile, teilen sich Sportchef Peter A. Frei und Sport-Fotochef Walter L. Keller. Der Aufruf soll schliesslich Gewicht haben. Demonstrativ.
Nach diesem Einwurf herrscht Totenstille im Saal.
Adolf Ogi läuft es kalt den Rücken herunter. Notar
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