Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Militärhut abgenommen und Moccetti klargemacht: «Herr Divisionär, jetzt rede ich mit Ihnen als Mitglied der Militärkommission des Nationalrats. Hauptmann Schneider-Amman gehört in den Generalstab!» Moccetti habe so laut gesprochen, dass man es wahrscheinlich sogar unten in Pontresina noch verstanden hat. Der Zwei-Sterne-General lenkt ein: «Ich habe verstanden. Es wird so verfahren.» Da habe er seinen Militärhut wieder aufgesetzt. Am 1. Januar 1983 tritt Johann Schneider-Ammann in den Stab der Gebirgsdivision 9 ein. Er wird im Laufe seiner militärischen Karriere Oberst, ranghöher als Ogi.
Anderes Beispiel: Der Glarner Ständerat This Jenny absolviert 1972 bei «Kadi» Adolf Ogi die Grenadier-Rekrutenschule in Losone. Ogi sei ein grosszügiger «Kadi» gewesen, sagt der SVP-Politiker heute und fügt einschränkend hinzu: «Wenn man sich eingesetzt hat.» Sich einsetzen hiess es ebenso bei militärsportlichen Wettkämpfen. Ogi immer zuvorderst, durch Schnee und Eis, so bewältigt er mit seinen Rekruten selbstverständlich auch die anspruchsvolle Haute Route von Zermatt nach Verbier mit Bravour. 53 Kilometer im Hochgebirge – zu Fuss mit Sack und Pack, mit Biwak im Freien, in drei Tagen.
Und auch an das Urner «Urgestein» Franz Steinegger gibt es mannigfaltige militärische Erinnerungen: Die beiden absolvieren zusammen 1965 die Offiziersschule. Auf dem 100-Kilometer-Marsch von Greyerz zum Schiessplatz Sand bei Bern liegt die Patrouille Steinegger/Ogi weit im Vorsprung. Franz Steinegger ist überall und immer der Stärkste. Doch kurz vor dem Ziel rächt sich die Marschpause bei einer Bäuerin bitter. Der gereichte Schnaps tut der Patrouille gar nicht gut. Der Vorsprung schmilzt. Nach dem Grauholz legt sich Franz Steinegger rücklings auf den Boden und streckt alle viere von sich: «Jetzt könnt ihr gleich den Gnägi holen, ich laufe keinen Schritt mehr!» Mit dem «Gnägi» ist der damalige Bundesrat und EMD-Vorsteher Rudolf Gnägi gemeint. Da habe man den armen Franz mit dem Gewehrkolben traktiert, bis er weitergelaufen sei, erinnert sich Ogi. In Sand unten sind sie dann doch noch Erste geworden. Und den «geistigen» Hunderter hätten sie gleich auch noch gewonnen.
Mythos «Hunderter»: Über Generationen hinweg erinnern sich Schweizer Offiziere an die Tortur. Wenn Schweizer Offiziere am späten Abend ihres Lebens noch etwas behalten haben, dann oft dieses prägendste Erlebnis. Auch Ogi hat es keineswegs vergessen.
So wenig, wie sein langjähriger Freund Art Furrer den denkwürdigen Manöversieg in den Walliser Bergen vergessen hat. Auf dem Bornengopass nimmt er Leutnant Ogi samt dessen Mannschaft gefangen und sperrt sie kurzerhand in einen Ziegenstall. Und das kaum zehn Tage nach Art Furrers Hochzeit, zu der der «Feind» auch eingeladen war. Dölf habe sich fürchterlich aufgeregt, dass auch er als Offizier die «Gefangenschaft» im Ziegenstall verbringen musste.
Ebenso wenig vergessen hat Adolf Ogi, dass ihm im WK vom Herbst 1983 im Engadin Militär und Politik ständig in die Quere gekommen sind. Wie damals, 1979, als er als zugeteilter Hauptmann im Gebirgsinfanteriebataillon 34 während der Schiessverlegung in Bumbach-Schangnau das politische Fegefeuer im Konolfinger Hotel Bahnhof über sich ergehen lassen muss. Kaum hat er von seiner Wahl am 21. Oktober erfahren, wird das ganze Gebirgsinfanterieregiment 17 ins Tessin verlegt – zum Manöver LOTTA. Sein Bataillon 34 hat den Auftrag, von der Landesgrenze in die Leventina vorzustossen, entlang der Flanke des Monte Tamaro.
Der «Ernstfall» hat erst gerade begonnen, da holt die Heerespolizei Hauptmann Ogi aus dem Kampfgetümmel. Die Tessiner Journalisten wollen mit dem frisch gewählten Nationalrat sprechen. Also, ab durch die feindlichen Linien nach Bellinzona, wo Nationalrat Adolf Ogi den Medienleuten Rede und Antwort steht.
Es ist auch ein Tessiner Fernsehjournalist, der den neuen Nationalrat filmisch an die erste Sitzung begleitet: Achille Casanova, der spätere, langjährige Bundesratssprecher. Auch hier zeigt sich wieder: Die Schweiz ist klein und vielfältig.
Abend für Abend nimmt Adolf Ogi acht Jahre später während des WK im Engadin an Wahlveranstaltungen teil, vor allem natürlich im Unterland. Man steht vor den Eidgenössischen Wahlen. Intersport-Freunde aus dem Engadin stellen ihm einen Wagen samt Chauffeur zur Verfügung. Im Bataillon hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass sogar ein militärisches Sanitätsfahrzeug
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