Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Überqueren eines Baches im Einsatz.
1983 Typisch Ogi: Schon im Militär zeigt er sein Redetalent.
2001 Skikanonen unter sich: Ogi mit Hotelier und Skiakrobat Art Furrer auf der Riederalp.
1967 Die Offiziersschulkollegen Walter Josi, Dölf Ogi, Hans Arnold und Franz Steinegger (v.l.) während der Haute Route auf der Dufourspitze.
Die beste Rhetorikschule habe er beim Abverdienen des Leutnants genossen, bei Bataillonskommandant Zäsar Balthasar. «‹Zäsi› hat in mir die Freude am Auftreten geweckt, am Mienenspiel, an der Gestik, am Formulieren, am Motivieren.» Es macht klick: Adolf Ogi fühlt sich plötzlich stärker. Er will führen. Er will eines Tages etwas bewegen. Da weiss er: «Ich bin nicht zum Verwalter geboren, ich will vorausgehen und die Leute mitnehmen.»
Schon bald nach der Wahl in den Nationalrat geht nicht mehr alles nebeneinander: Politik, Beruf und Militär. Er wäre gerne noch Oberst geworden, aber der Beginn der Zentralschule fällt in eine Junisession des Nationalrats. Dann kommt noch das Präsidentenamt der SVP hinzu. Er muss sich entscheiden. Politik geht vor! So zieht der Soldat die Unform aus und ist fortan «nur noch» Bürger.
1995 steht er dann doch wieder vor Uniformierten. Die meisten sind hochrangige Offiziere und tragen die schwarzen Doppelstreifen der Höheren Stabsoffiziere an den Hosen. Sie haben einen neuen Chef bekommen: Bundesrat Adolf Ogi, EMD-Vorsteher.
Kurz danach bestellt er Korpskommandant Jean Abt zu sich. Da sitzt er nun seinem neuen Chef gegenüber. «Dem eiligen Rekruten von Losone, dem Mann mit der charismatischen Ausstrahlung, der in den Bergen aufgewachsen ist, der im Mitteland neue Wurzeln geschlagen, eine Familie gegründet und seine Freunde von damals nie vergessen hat», so Abts Worte.
Die Armee steckt gerade wieder einmal in einer Reform – «Armee 95». Der neue EMD-Chef will von seinem Freund und Dienstkameraden wissen: Was hat Abt als Kommandant eines Feldarmeekorps in der Praxis bezüglich der neuen Armee festgestellt? Der Gefragte sagt dem neuen EMDChef offen seine Meinung.
Da hat so mancher Truppenführer im Feld einen Pick auf die Theoretiker in ihren geschützten Berner Büros.
Dann fügt er, viel später, während des Gesprächs im lauten Bahnhofsbuffet Lausanne leise hinzu: «Ich habe Dölf aus der Praxis berichtet – in Bern, in der Militärverwaltung, hat er andere Quellen gehabt, unter anderem seinen damaligen Generalsekretär Hans-Ulrich Ernst.» Aber dieser, vom frisch ernannten Departementsvorsteher bereits mit dessen Entschluss zu einem baldigen personellen Wechsel konfrontiert, habe seinem neuen Chef natürlich nicht alles gesagt … Der Troupier von draussen spricht, nahe beim Schuss. Da hat halt so mancher Truppenführer im Feld einen Pick auf die Theoretiker in ihren geschützten Berner Büros. Abt erinnert sich: «Dölf hat sich sehr interessiert gezeigt. Er hat genau zugehört und sich ein Bild gemacht. Er ist kein Besserwisser.»
Ogi geht über die Bücher und handelt.
Armee XXI wird in Angriff genommen. Er kann bei dieser erneuten Reform nicht aufbauen, er muss eher abbauen. Die Wende im Osten hat alles verändert, vor allem das Feindbild. Der grosse sozialdemokratische und damit politische Gegenspieler Ogis in den Neunzigerjahren, Helmut Hubacher – selten gleicher Meinung wie Dölf, aber ihm trotzdem sehr verbunden –, sagt einmal in der Wandelhalle des Nationalrates im privaten Gespräch: «Ogi ist kein Mann des Abbaus. Ogi kann nur aufbauen.» Das gehe wohl schief.
Korpskommandant Jean Abt fällt ein junger Panzergrenadierleutnant auf: «Ich sah in Mathias Ogi sofort seinen Vater wieder – genauso übers ganze Gesicht strahlend. Ein Déjà-vu!»
Wenn die Sache schiefzulaufen droht, greift der Departementsvorsteher ein, wie im Jahre 1999, als Generäle während eines Kurses in Nottwil aufzubegehren beginnen. Am anderen Morgen um 8.00 Uhr steht der Chef vor ihnen und erklärt den Tarif: «Es gilt das Primat der Politik!» Was ihnen Bundesrat, Parlament und Volk befehlen, werde ausgeführt. Verstanden?
Es läuft nicht alles nach Plan, aber so geht nichts schief. Inzwischen heisst das EMD VBS und Ogi baut doch auf. Er öffnet der Schweizer Armee die Tür für Kooperationen mit Streitkräften im Ausland. Korpskommandant Jean Abt muss auch durch diese Tür hindurchgehen. Es gilt, wie gesagt, das Primat der Politik. Aber er gesteht heute offen: «Mit inneren Vorbehalten.» Wohin führt die NATO-Partnerschaft
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