Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
dass man heute die Türen, die Ogi so trefflich geöffnet hat, nicht besser nützt. Beide verstehen nicht, dass sich die Schweiz, beispielsweise auch zum Schutz der eigenen Hochseeflotte, nicht an der Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias beteiligen will.
Während dieser Zeit schenken sich Ogi und Blocher wieder mal nichts.
Die drei Super Pumas der Schweizer Armee entpuppen sich als effizientes Mittel zur Versorgung der Flüchtlinge im bergigen Grenzraum zwischen Albanien und Kosovo.
Dölf beschenkt lieber andere. Vor der Abreise im Jahre 1998 zu einem Besuch in Moskau wird den mitfliegenden Mitarbeitern auf dem Rollfeld in Belp beschieden, dass der Frachtraum bereits voll sei. Das Reisegepäck müsse man leider in der Kabine verstauen. Im Frachtraum stecken schon, fein säuberlich verpackt, 70 grosse Schokoladen-Osterhasen für das Botschaftspersonal in Moskau, von der Putzfrau bis zur Botschafter-Gattin.
Im Oktober 1998 sagt Ogi Blocher den parteiinternen Kampf an. Mit dem Satz, die SVP dürfe vor den Wahlen nicht den «Flugsand der Unzufriedenen» sammeln, löst er eine erbitterte Kontroverse aus. Christoph Blocher kontert in einem «NZZ»-Interview: «Ogis Aussage hat mich erschreckt.» Man solle die Sprache beachten: «Menschen sind Flugsand!» Das sei eine Beleidigung gewesen, sagt Blocher noch heute. Damals greift der Zürcher zu einem ungewöhnlichen Mittel: Er lässt das Interview in rund zwei Dutzend Tageszeitungen als Inserat erscheinen.
Die Kontroverse zieht sich hin bis zum traditionellen SVP-Wahlfest im aargauischen Holziken.
Sogar ein Parteiaustritt steht im Raum. Ogi soll am 14. August 1999, bei besagtem Wahlfest in Holziken, als Redner auftreten. Er weiss: Eigentlich kann er nur verlieren. Wenn er für die eigene, innere Überzeugung plädiert, droht er möglicherweise ausgepfiffen zu werden. Wenn er nicht Farbe bekennt, teeren und federn ihn die Medien. Wie kommt er da durch? Ein kleines Team sucht den Ausweg. Wie bei Ogi üblich, arbeiten Leute unterschiedlichster politischer Couleur eng und loyal zusammen.
«Der Weg ist steinig gewesen, aber die Lösung schlussendlich bestechend ausgefallen», erinnert sich seine persönliche Mitarbeiterin Sonja Bietenhard, die damals Ogis Holziken-Team angehört hat. Ogis Botschaften werden gut und überzeugend verpackt: Es sei schon immer schweizerische Tradition gewesen, sich im gegenseitigen Respekt zu begegnen … Die Rede wird bis auf den letzten Buchstaben geschliffen. Der Chef sägt und schleift mit, wie immer. Exakt so, wie an der legendären Neujahrsansprache 2000 vor dem Lötschberg-Tunnelportal in Kandersteg, als er dem Vorbereitungsteam offen ins Gesicht sagt, die Vorschläge seien unbrauchbar. Dann hat er seine weltberühmt gewordene «Tännchen-Ansprache» vom ersten Wort bis zum letzten Punkt selber geschrieben.
Prosit in Bern mit dem damaligen SVP-Präsidenten und Thurgauer Ständerat Hans Uhlmann (r.) sowie Korpskommandant Paul Rickert (Mitte). 1996
Schulterklopfen von Ringier-Publizist Frank A. Meyer. 2004
Die Holziken-Rede ist eine der wichtigsten Reden in seinem Leben. Nicht die beste, die hält er Ende 2000 bei der Stabsübergabe an seinen Nachfolger als Bundespräsident in Zürich: «Mach’s gut, Moritz!» Der Zürcher Bundesrat Moritz Leuenberger übernimmt 2001. Ogi hält diese grosse Rede am Abend desselben Tages, an dem er den EU-Präsidenten beim Erweiterungsgipfel von Nizza mit deutlichen Worten die Schweiz erklärt hat.
In Holziken erhält Ogi sogar ordentlichen Applaus, doch nach der Rede geht er. Auch das ist so von langer Hand geplant. Andere Verpflichtungen … Er fährt nach Guttannen zum Grimsel-Schiessen, in Erinnerung an wichtige weltgeschichtliche Ereignisse auf der Grimsel im Jahre 1799.
Im Präsidialjahr steht er bewusst über den Grabenkämpfen.
Am 16. September 2000 ruft er während der Olympischen Spiele in Sydney aus dem Hotelzimmer seine Frau Katrin an. «Vier Frauen und Mathias sind der Grund, weshalb ich Ende des Jahres aufhöre. Du, Caroline, Brigitte McMahon, Magali Messmer und, eben, Mathias.» Kurz zuvor haben die beiden Schweizerinnen McMahon und Messmer überraschend Gold und Bronze beim Triathlon-Wettbewerb gewonnen. Mathias hat damals seinen Vater ziemlich bearbeitet, endlich aufzuhören: «13 Jahre Bundesrat sind genug.» Anonyme Drohungen und Belästigungen haben sich in letzter Zeit gehäuft und die Familie verletzt und unter Druck gesetzt. Sie sind auch,
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