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Wunder

Wunder

Titel: Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Palacio
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totaler Verblüffung hin und her schwankte.
    »Ich dachte, Julian und du wärt Freunde«, sagte Mr. Pomann.
    »Wir sind keine Freunde«, sagte ich. Ich hatte meine Arme vor der Brust verschränkt.
    »Aber jemanden ins Gesicht zu schlagen, Jack?«, sagte Mom und hob die Stimme. »Ich meine, was hast du dir denn dabei gedacht?« Sie schaute Mr. Pomann an. »Ehrlich, er hat noch nie jemanden geschlagen. So ist er einfach nicht.«
    »Julian hat am Mund geblutet, Jack«, sagte Mr. Pomann. »Du hast ihm einen Zahn ausgeschlagen, weißt du das?«
    »Es war bloß ein Milchzahn«, sagte ich.
    »Jack!«, sagte Mom und schüttelte den Kopf.
    »Das hat Schwester Molly gesagt!«
    »Darum geht es nicht!«, rief Mom aus.
    »Ich möchte nur wissen, warum«, sagte Mr. Pomann und zog die Schultern hoch.
    »Das würde alles nur noch schlimmer machen«, seufzte ich.
    »Erzähl’s mir einfach, Jack.«
    Ich zuckte mit den Schultern, aber ich sagte nichts. Ich konnte einfach nicht. Wenn ich ihm sagte, dass Julian August eine Missgeburt genannt hatte, dann würde er mit Julian darüber sprechen. Dann würde Julian ihm erzählen, dass ich auch schlecht über August geredet hatte, und dann würden es alle erfahren.
    »Jack!«, sagte Mom.
    Ich fing an zu heulen. »Es tut mir leid …«
    Mr. Pomann runzelte die Stirn und nickte, aber er sagte nichts dazu. Stattdessen pustete er irgendwie in seine Hände, wie man das macht, wenn man kalte Finger hat. »Jack«, begann er, »ich weiß nicht so ganz, was ich dazu sagen soll. Ich meine, du hast einen Jungen mit der Faust geschlagen. Es gibt hier Regeln, was derlei Dinge anbelangt, weißt du? Automatischer Schulverweis. Und du versuchst nicht einmal, das zu erklären.«
    Inzwischen heulte ich ziemlich stark, und in dem Moment, als Mom ihren Arm um mich legte, schluchzte ich laut auf.
    »Also, ähm …«, sagte Mr. Pomann und nahm seine Brille ab, um sie zu putzen. »Machen wir das folgendermaßen, Jack. Nächste Woche gehen wir sowieso in die Winterferien. Wie wär’s damit: Du bleibst den Rest der Woche zu Hause, und nach den Winterferien kommst du wieder, und wir fangen ganz frisch noch einmal von vorne an. Ein sauberer Schnitt, sozusagen.«
    »Ist das ein Schulverweis?«
    »Nun«, sagte er und zuckte mit den Schultern. »Technisch ja, aber nur für ein paar Tage. Und ich sag dir was: Während du zu Hause bist, nutzt du die Zeit, um darüber nachzudenken, was passiert ist. Und wenn du mir einen Brief schreiben möchtest, in dem du erklärst, was sich da abgespielt hat, und einen Brief an Julian, in dem du dich entschuldigst, dann nehmen wir auch nichts von alledem in deine Akte auf, okay? Du gehst jetzt nach Hause und sprichst mit deiner Mom und deinem Dad darüber, und vielleicht ist dir die Sache morgen früh schon ein bisschen klarer.«
    »Das klingt nach einem guten Plan, Mr. Pomann«, sagte Mom und nickte. »Ich danke Ihnen.«
    »Es wird alles in Ordnung kommen«, sagte Mr. Pomann und ging zur geschlossenen Tür hinüber. »Ich weiß, dass du ein netter Junge bist, Jack. Und ich weiß, dass manchmal auch nette Jungen Dummheiten machen, nicht wahr?« Er öffnete die Tür.
    »Haben Sie vielen Dank für Ihr Verständnis«, sagte Mom und schüttelte ihm an der Tür die Hand.
    »Kein Problem.« Er trat näher an sie heran und sagte leise etwas zu ihr, das ich nicht verstehen konnte.
    »Ich weiß, danke Ihnen«, sagte Mom und nickte.
    »Also, mein Junge«, sagte er und legte mir die Hände auf die Schultern. »Denk drüber nach, was du getan hast, okay? Und ich wünsche dir schöne Ferien. Happy Chanukka! Fröhliche Weihnachten! Fröhliches Kwanzaa!«
    Ich putzte mir mit meinem Ärmel die Nase ab und machte mich Richtung Tür auf.
    »Bedank dich bei Mr. Pomann«, sagte Mom und tippte mir auf die Schulter.
    Ich blieb stehen und drehte mich um, aber ich konnte ihn nicht anschauen. »Danke, Mr. Pomann«, sagte ich.
    »Wiedersehen, Jack«, antwortete er.
    Dann ging ich zur Tür hinaus.

Weihnachtsgrüße
     
    Als wir nach Hause kamen und Mom die Post hereinbrachte, waren verrückterweise Adventskarten sowohl von Julians als auch von Augusts Familie dabei. Die Karte von Julian zeigte ihn mit Krawatte, und er sah aus, als würde er gerade in die Oper gehen oder so. Auf der Karte von August war ein süßer alter Hund zu sehen, der ein Rentier-Geweih, eine rote Nase und rote Stiefelchen trug. Über dem Kopf des Hundes war eine Cartoon-Sprechblase, in der »Ho-Ho-Ho!« stand. Der Text in der Karte

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