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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Gegenwart nicht mehr
unterscheiden konnte.
    Da, wo noch soeben die Türen in den
Flur führten, berührte sie nur Balken und Teppiche und Felle, während sie nach
dem Ausgang tastete.
    »Jetzt muß ich wohl sterben«, dachte
die Kleine, denn der beizende Rauch machte es ihr fast unmöglich zu atmen. Sie
lief geradewegs auf das brennende Fenster zu und sprang ohne Besinnen durch die
Flammen hindurch ins Freie.
    »Nur fort!« dachte sie, als sie sich
halbbetäubt aufraffte, und ohne darüber nachzudenken, ob sie sich verletzt
hatte, rannte sie den Abhang hinunter und in die Wiesen hinein, bis ihre Füße
in dem Sumpfufer der Löcknitz einsanken. Da blieb sie zitternd stehen und
blickte zurück. Vor ihr lag auf dem Hügel ein großes Gebäude, das wie eine
Fackel brannte.
    In einiger Entfernung davon aber stand
der Turm. Unversehrt und düster ragte er im roten Schein des Feuers zum Himmel.
Am Fuße des Hügels lag die Stadt Lenzen, aus der die Flammen hochschlugen.
    »Was ist denn nur geschehen?« dachte
die Kleine voll Entsetzen. Da hörte sie Stimmen hinter sich. »Ich habe nicht
gesagt, daß ich dir nicht glaube«, sagte eine tiefe Frauenstimme in wendischer
Sprache. Die Kleine verstand jedes Wort, denn sie war ja oft zu Besuch bei der
Großmutter im Spreewald gewesen, wo noch die alte wendische Sprache gesprochen
wurde.
    »Warum sitzt du dann da und schweigst,
als wenn nichts geschehen wäre? Soll ich etwa dem Volke der Wilzen nur deshalb
nicht fluchen, weil ich selbst zu ihm gehöre? — Sie nennen sich selber Wölfe,
aber sie sind furchtbarer als diese wilden Tiere!«
    Dott schlich näher, weil es sie in
dieser unheimlichen Nacht in die Nähe der Menschen zog. Im Schein des Feuers
erkannte sie eine alte Frau, die unbeweglich dasaß und in die Flammen blickte. Neben
ihr hockte eine junge Frau von großer Schönheit. Ihr Haar war aufgelöst und ihr
Kleid zerrissen. Die letzten Worte hatte sie der alten Frau voller Verzweiflung
zugeworfen. »Vielleicht nur unglücklicher«, erwiderte die alte Frau.
    »Du entschuldigst sie noch? Obgleich
sie Grausamkeit auf Grausamkeit und Haß auf Haß häufen, anstatt dem Volke den
Frieden zu schenken?« stieß die junge Frau hervor. »Weil einmal die Sachsen
unseren Wendenfürsten Mistewoy einen Hund genannt haben, als er um die Hand der
sächsischen Herzogstochter anhielt, dämm soll nun ewiger Haß zwischen den
Wenden und den Sachsen herrschen? Weil ein wahnsinniger Sachse auf dem Reichstag
zu Werben Mistewoys Sohn Udo ermordete, darum dürfen nun die Wenden Mistewoys
Enkel erschlagen, nur weil er ein Christ war und zu den Sachsen hielt? Ich sage
dir, dieser Enkel Mistewoys, Godeskalk, unser edler Fürst, der den Frieden mit
den Sachsen suchte, war größer als die, welche über ihn siegten!«
    Die alte Frau antwortete nicht. Sie saß
aufrecht und unbeweglich da, und der rötliche Schein der Flammen beleuchtete
ihr breites, stolzes Gesicht.
    Ihre Ruhe versetzte die junge Frau in
immer größere Erregung.
    »Bedeutet es dir denn nichts«, rief
sie, »daß nun das mächtige Obotritenreich Godeskalks zerschlagen ist? Ihm
gehorchten alle slawischen Stämme von Hamburg bis zur Peene, von der Elbe bis
zum Meere. Seit Jahrhunderten waren sie zum ersten Male in Frieden vereint, in
Freundschaft mit den Sachsen verbunden. Oh, wäre ich doch mit all denen
zugrunde gegangen, deren Blut nun über die Straßen von Lenzen fließt!«
    Da wandte die alte Frau der jungen ihr
Gesicht zu und schaute sie an.
    »Weil ich sehe, wie sehr du dein Volk
liebst, mein armes Kind, will ich dir sagen, wer ich bin«, sagte die alte Frau.
»Mistewoys Sohn war mein Gatte, Udo, der Obotritenfürst, der auf dem Reichstag
in Werben von einem Sachsen ermordet wurde. Die Mutter des slawischen Fürsten
Godeskalk bin ich, den sein unglückliches Volk in dieser Nacht erschlug.«

Der
Mehrer des Reiches
    (Im Jahre 964)
     
    In der großen Halle der Pfalzburg
Lunkin, die späterhin Lenzen genannt werden sollte, schritt ein Mann auf und
ab. Er hatte seine Arme fest über der Brust verschränkt. Seine Brauen waren
zusammengezogen und die Augen zu Boden gesenkt.
    In demselben Raum saß auch eine Frau,
an einer Goldstickerei arbeitend, am Kaminfeuer und folgte mit ihren Augen der
hochgewachsenen Gestalt des Mannes, der rastlos und mit leichten Schritten die
Halle durchwanderte.
    »Kaiser Heinrichs Sohn, unser Kaiser
und Herr, ist durch dich Lehnsherr der Slawenstämme bis zur Oder geworden. Es
ist Großes in diesen wenigen

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