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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Vorsichtig kroch sie unter dem Flügel des Reihers hervor, um Luft
zu schöpfen.
    »Dies ist kein guter Ort für dich,
Menschenkind«, sagte der Reiher. »Steig auf meinen Rücken, damit ich dich in
den alten Turm bringen kann.«
    Die Kleine hatte sich in ihrem
Zusammensein mit den Tieren das unnötige Fragen abgewöhnt. Sie stieg schweigend
auf den Rücken Gurians, des Fischreihers, und in schnellen Kreisen hoben sie
sich empor.
    Dies aber war keine ruhige Fahrt wie am
Tage. Der Sturm packte den Reiher wie einen Fetzen und warf ihn nach oben und
unten. Die Kleine mußte mit beiden Armen den Hals Gurians umklammern und sich
fest gegen den Rücken pressen, um nicht hinuntergeschleudert zu werden.
    Aber herrlich flog der Reiher! Hin und
her gerissen, aber stetig vorwärts, vorwärts, den fernen Lichtern der Stadt
Lenzen entgegen, die im Volke seit der ersten wendischen Niederlassung auch Lunkin, die Drei-Mondhörner-Stadt, genannt wird.
    Schon lagen unter ihnen die matt
erleuchteten, mondsichelförmigen Straßen und strahlenförmigen Gäßchen. Von
rechts schimmerte düster die Löcknitz herauf. Schon erkannte sie auf einem Berg
vor der Stadt das langgestreckte zweistöckige Schloß Lenzen, aus dessen
Fenstern noch Licht strahlte — da ragte auch schon der schwarze runde Turm vor
ihnen auf.
    Als Gurian sich auf der Plattform des
Turmes niederließ, hob er die Kleine sanft von seinem Rücken.
    »Hier bist du vor dem Regen geschützt«,
sagte er. »Ihr Menschen baut euch ja diese steinernen Wohnungen, damit euch der
Sturm nicht erreicht. — Schlaf gut, kleine Dott, du hast eine anstrengende
Fahrt hinter dir.«
    Die Kleine seufzte, als sie ihren
Freund in der Nacht verschwinden sah.
    Um sie her klatschte und tropfte es.
Bis auf die Höhe des alten Turmes herauf aber drang nur wenig Licht. — Die
Kleine sah in der Mitte der Plattform ein rundes kleines Lusthaus, das eine
Dachhaube trug.
    »Das wäre ein Häuschen für mich«,
dachte Dott.
    Sogleich nahm sie den goldenen
Wunderbecher aus ihrem Beutel und fing an, ihn kräftig mit ihrem Taschentuch
von innen zu reiben, und sofort begann sie anzuschwellen und emporzuwachsen,
und in wenigen Augenblicken hatte sie ihre natürliche Größe erreicht.
Sorgfältig verwahrte sie den Becher wieder im Beutel und drückte die Klinke
herunter. Die Tür war nicht verschlossen.
    Die Kleine konnte auch in der
Dunkelheit die Gegenstände ganz gut erkennen, denn ihre Augen waren ja durch
die Rennefarre geschärft. Sie sah, daß in dem Lusthäuschen, das der Besitzer
des Schlosses auf den mächtigen alten Turm aufgesetzt hatte, alles wunderschön
eingerichtet war. Es gab einen Tisch darin und Sessel mit Kissen, und an den
Wänden hingen Bilder.
    Und weil die Kleine so naß und müde
war, legte sie ihren Beutel auf den Tisch, schob zwei Sessel zu einem Bett
zusammen und streckte sich darauf aus. Und da sie zu frieren begann, deckte sie
sich mit einigen Kissen zu.
    »Nun schlafe ich in der Burg Lenzen!«
dachte sie stolz. »Jetzt fehlt nur noch, daß ich all das erlebe, was hier
vorgefallen ist!« setzte sie lächelnd hinzu, während ihr die Augen zufielen.

Albrecht
der Bär
    (Im Jahre 1142)
     
    Kaum aber hatte die Kleine den Wunsch
geäußert, als sie die Stimme des guten Doktors zu hören glaubte: »Und nun
möchte ich dich bitten, kleine Dott, daß du auf deiner Wanderschaft auch die
Stätten unserer Vergangenheit aufsuchst und dich nicht fürchtest, wohin du auch
geführt werden magst, damit das Wunder der Rennefarre an dir wirksam werden
kann.« Sie sah wieder, wie er sein Glas hob und ihr zulächelte.
    »Es kann ja nicht schaden, wenn ich in
das Schloß hineingehe«, dachte Dott. »Ich habe ja die Rennefarre im Schuh und
bin für alle lebenden Menschen unsichtbar geworden.«
    Seufzend erhob sie sich von ihrem
Lager, denn sie war müde und hätte lieber bis zum Morgen durchgeschlafen. Sie
seufzte noch einmal, tastete nach der Klinke der Tür, die in das Innere des
Turmes führte, und stieg die Treppe hinunter. Die war nur matt durch brennende
Kienspäne erleuchtet, die in eisernen Armen an den Wänden steckten.
    »Das ist doch eine trübselige
Beleuchtung!« dachte Dott. Als sie aber bis zu einem geräumigen Treppenabsatz
gekommen war, hörte sie hinter einer Tür Gesang:
     
    »Jubelt
dem Herrn, Sonne und Mond,
    ihr
Sterne am Himmel, lobet den Herrn!«
     
    Sie öffnete vorsichtig die Tür, und als
sie eingetreten war, sah sie, daß sie in einer Kapelle stand. Die war von
Gläubigen

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