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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Jahren geschehen«, sagte sie zu ihm.
    »O ja, es ist manches in diesen Jahren
geschehen«, erwiderte der Mann, ohne seine Wanderung zu unterbrechen.
    »Ich denke daran, wie die Wenden nach
des ersten Markgrafen Tode die Tributzahlungen verweigerten«, fuhr die Frau
fort und ließ die Stickerei in den Schoß sinken. »Ich weiß noch, wie sie über
die Grenze in das Sachsenland einbrachen und mordeten und Frauen und Kinder
fortschleppten. Und ich denke daran, wie es dir gelang, die Wilzen bis zur Oder
zu unterwerfen, als du den Wendenfürsten Tugimar für dich gewannst.«
    »Das ist es, woran auch ich denke«,
erwiderte der Mann spöttisch und beschleunigte seinen Schritt. »Das ist es,
woran ich nun Tag und Nacht denke, seit ich diese Halle wieder betreten habe.«
    Er blieb so hart vor der Frau stehen,
daß sie zusammenfuhr. »Wenn du schon die Taten meines Lebens heraufsteigen
läßt«, sagte er rauh, »so bringe auch diese an das Tageslicht. Sprich es aus,
was hier, in dieser Halle, geschah, wenn du es wagst.«
    »Ich werde es aussprechen«, sagte die
Frau mit stolzer Entschlossenheit. Sie stand auf und legte ihre Hände auf seine
Schultern.
    »Gott möge uns allen unsere Schuld
vergeben«, sagte sie leise, »was aber damals geschah, das will ich heute und an
diesem Ort aussprechen:
    Kaiser Heinrichs Markgraf Bernhard, der
Sieger von Lunkin, war tot, und das Wendenvolk erhob sich.
    Die Seen und Moore der Prignitz waren
noch rot vom Blut von Hunderttausenden gefallener Wenden, und ein Rachezug der
Slawen stand bevor, wie ihn das unglückliche sächsische Grenzland noch nicht
gesehen hatte.
    Da sprachst du: ›Es ist besser, daß
dreißig sterben, als Dreißigtausend‹, und du entbotest dreißig der höchsten
Wendenfürsten zur Beratung hierher in die Grenzfeste Lunkin. Sie kamen! Du hast
diese Männer in dieser Halle erschlagen lassen, damit der Aufstand in sich
zusammenfiele und das Volk geschont würde.«
    »Ja, ich habe sie ermorden lassen«,
sagte der Markgraf. Er nahm ihre Hände heftig von seinen Schultern und begann
seine Wanderung von neuem.
    »Und diese Tat ist noch nicht gesühnt!
Ich sehe, wie Blut um Blut fließen wird, Gewalt erhebt sich gegen Gewalt und
Mißtrauen gegen Verrat! — Ich sehe nichts mehr vor mir als verbrannte Kirchen,
erschlagene Priester und Haß und Blut ohne Ende!«
    »Ich sehe ein Land vor mir«, sagte
leise die Frau, »die Wälder sind gerodet, die furchtbaren Sümpfe entwässert,
Städte und Klöster und Dörfer liegen zwischen fruchtbaren Feldern und heiteren
Seen. Und wohin du blickst, siehst du arbeitsame Menschen in Frieden das Land
bestellen und dem Herrn lobsingen. Ich sehe eine Kirche am Nordrande des
Harzes, aus wuchtigen Quadern gefügt, zu Ehren des allmächtigen Gottes von
meinem Gemahl errichtet. Ich sehe ein Grab zu Füßen des geweihten Altars, in
dem mein Gatte nach einem harten und schmerzensreichen Leben ruht, den Tag des
Gerichtes in Demut erwartend. — Die beiden starken Türme der Kirche sehe ich.
Gen Osten zum Himmel erhoben, flehen sie über deinem Herzen durch Jahrhunderte,
daß alle Schuld dereinst getilgt werden möge, damit dein Werk gesegnet wird und
endlich der Friede Gottes zwischen den Völkern herrscht!«

Die Rosse
vom Kestenberg
    (Im Jahre 929)
     
    Die Kleine stand in der feuchten
Nachtluft hinter einer mehrere Meter hohen Erdmauer dicht neben einem Tor, das
sich wie eine Halle durch den vier Meter breiten Burgwall hindurchzog, mit
dicken Eichenbohlen überdacht und in der Mitte durch Träger gestützt.
    Da im Innern des Burgringes mehrere
Holzfeuer brannten, erkannte sie bei ihrem Schein, wie wendische Männer und
Frauen mit ihrer Habe und ihrem Vieh eilig durch das Tor in die Burg
hineindrängten. Einige schleppten Hausrat auf Holzstücken, die sie mit
Weidenruten zusammengebunden hatten, so daß sie wie Schlitten über die Erde
glitten. Andere hatten ihre Säcke und Ballen neben die Kinder und Greise auf
den Rücken der Kühe und Pferde gebunden, von denen einige bis zum Bauch mit
Schlamm bedeckt waren.
    »Das ist ja, als wenn diese Leute in
Sümpfen gehaust hätten!« dachte Dott.
    Die Kinder lachten und schrien vor
Freude über den abenteuerlichen nächtlichen Ritt; die Männer und Frauen luden
schweigend und eilig ihre Habe ab und trugen sie in die Häuser und Schuppen,
die im Innern des Walles im Kreise aufgestellt waren.
    »Diese Menschen sind nicht sehr reich«,
dachte Dott, denn sie konnte unter den geretteten Dingen wenig

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