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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Ruhestatt.
    Großmutter konnte ihren Kahn nicht mehr
selbst mit der Stange fortbewegen, aber alle, die sie brauchten, holten sie mit
dem Kahn zu sich, zu den Kranken und Sterbenden oder Neugeborenen, denn die
Leute hatten Großmutter in den schweren und frohen Stunden gerne bei sich. —
Und auch alle, die Großmutter selbst brauchte, kamen mit dem Kahn zu ihr, der
Briefbote, der Doktor und die Nachbarin, die der Großmutter in dem flachen
Spreewaldkorb die Einkäufe brachte und Lisawetas Milch mit sich fortnahm.
    An einem Sommerabend aber kam zur
Großmutter ein Gast, der nicht mit dem Kahn, sondern auf einem ungewöhnlichen
Wege auf dem Inselchen landete.
    »Nun bist du mein Gast«, sagte die
Kleine stolz, während sie von Cornix’ Rücken sprang. »Großmutter wird sich
freuen, dich kennenzulernen! Und du sollst Bobbohnen haben, soviel du willst.«

    Cornix blinzelte wieder mit einem Auge
und schaute sie mit schiefgeneigtem Kopf an. Und als sie sich durch ihr
goldenes Becherchen die natürliche Größe zurückgegeben hatte, schwang er sich
in einen Apfelbaum, um zu beobachten, was weiter geschehen würde.
    Die kleine Dott aber rannte auf das
Haus der Großmutter zu und sprang die drei kleinen Stufen zur Tür hinauf. Als
sie jedoch gerade die alte hölzerne Klinke hinunterdrücken wollte, da dachte
sie zum erstenmal daran, wie schwierig es doch für sie war, unsichtbar vor die
Großmutter zu treten! — »Wenn ich nun zu sprechen anfange und man sieht mich
nicht?« überlegte sie. »Ich glaube, ich gehe lieber einmal um Großmutters Insel
herum.«
    Ach, wie tat es doch gut, wieder bei
Großmutter zu sein! Da war gar nichts verzaubert. Da war alles an seinem Platz,
der runde Backofen unter dem schief geneigten Apfelbaum und Großvaters
Königsscheibe vom Schützenfest auf ihrem Ehrenplatz zwischen den
weißgestrichenen Fensterchen. Und am Ufer, da hing sein großer Fischkasten,
noch immer hochgezogen über dem Wasser seit Großvaters Tode. Wie schön die
Wasserrosen dort wieder blühten! Und die Schrillebocks zuckten darüber wie
kleine Blitze! Im Spreewald, da hatten viele Dinge noch ihre alten wendischen
Namen, darum mußten sie auch die Libellen hier Schrillebocks nennen.
    Wie still alles war! — »Ich habe noch
nie etwas so Stilles gehört«, dachte Dott.
    Es gab ja keine Straßen hier, keine
Wagen und Fußgänger. Selbst die Ernte wurde auf Kähnen heimgebracht und mit
Handwagen in die Scheune gefahren.
    Die kleine Dott schaute wieder auf das
Haus. An den dicken Balkenwänden hingen unter dem vorspringenden Strohdach
sauber und trocken Großmutters grüngestrichene Bänke für den Kahn und darüber
die Feuerleiter. Alles war genauso wie immer. Aber wo war denn Großmutter?
    »Ich muß doch schnell nachsehen, ob
Großmutter daheim ist! Sie wird doch nicht krank sein?«
    Aber da hing ja Großmutters Harke im
Apfelbaum! Und da blühten die Geranien und Fuchsien so schön wie immer vor den
weißen Fensterchen, da mußte ja Großmutter noch leben und gesund sein! Und
vorsichtig stieg sie die drei Stufen zur Haustür hinauf.
    Behutsam öffnete sie die Zimmertür und
lugte durch den Spalt. Da saß die Großmutter auf der Ofenbank neben dem
Spinnrad. Aber das Rad stand still. Und die hellblauen Augen der Großmutter,
die immer in einem feuchten Schimmer glänzten, waren nicht auf die Arbeit
gerichtet, sondern gerade in das Gesicht der kleinen Dott!
    Da konnte sich Dott nicht mehr
zurückhalten. »Großmutter! Großmutter!« schrie sie und warf sich weinend und
lachend auf den Schoß der alten Frau. »Ich bin ja da, Großmutter! Großmutter,
erkennst du mich denn nicht?«
    Die Großmutter strich mit ihren
gichtgekrümmten Fingern über das Haar und die Wangen der kleinen Dott. »Lange
habe ich auf dich gewartet, mein Kind, lange!«
    »Siehst du mich denn, Großmutter?«
fragte Dott und drückte sich fest an die alte Frau. »Bin ich denn wieder
sichtbar geworden?«
    »Ach, meine kleine Dott, zu sehen bist
du nicht, aber deine Stimme und deinen Schritt habe ich erkannt. Ich wußte ja,
daß du eines Tages zu mir kommen würdest.«
    »O Großmutter, wie konntest du wissen,
daß ich noch lebe? Woher weißt du denn alles?«
    »Wenn wir still werden, Kind, dann
sprechen die Dinge zu uns. Aber es war ja nicht schwer für mich, zu erraten,
was mit dir in der Johannisnacht geschehen war; deine Mutter schrieb mir, was
Vater Gnilica darüber dachte.«
    »Wissen denn die Eltern, daß ich
verwandelt bin, Großmutter?« fragte Dott

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