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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Kriminalkommissar, ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid für den Verlust Ihres Freundes ausdrücken«, sagte er mit sonorer und wohlklingender Stimme.
    »Vielen Dank, Herr Obersturmbannführer.«
    Das Pendant seines Ranges wäre bei der Kripo ein Kriminalrat, bei der Wehrmacht ein Oberstleutnant. Obwohl er es nicht wollte, nahm Nikolas Haltung an. Sofort bemerkte der Offizier das und musste schmunzeln. Sein volles Haar war zu einem lockeren Scheitel gekämmt und an den Seiten bereits grau, doch es bildete einen schönen Rahmen für sein schmales Gesicht.
    »Ich bitte Sie, Herr Brandenburg, das ist nicht nötig. Wollen wir in mein Büro gehen? Dort können wir uns in Ruhe unterhalten. Herr Bötcher, bringen Sie uns bitte zwei Kaffee.«
    Der massige Schreibtisch in der Mitte des Raumes war aufgeräumt. Ein gusseiserner Reichsadler hielt in seinen Klauen das Hakenkreuz, dazu waren in dem Regal Bücher über Chemie, Rassenlehre und etliche belletristische Werke zu finden.
    Eine interessante Mischung, dachte Nikolas. Varusbach ging langsam zur Fensterreihe und betrachtete das weitläufige Gelände.
    »Eine Tragödie, nicht wahr?« Es klang aufrichtig. »Herr Stuckmann war einer unserer besten Männer. Hat hin und wieder sogar von Ihnen erzählt.« Er blickte Nikolas an. »Sie sind in Paris stationiert, richtig?«
    »Ja, Herr Obersturmbannführer.«
    Der Mann winkte ab. »Lassen Sie den Rang, bitte. Ist sowieso alles viel zu förmlich hier.«
    Von einem zaghaften Klopfen angekündigt, stellte der Chef des Werkschutzes zwei Tassen Kaffee auf den Schreibtisch. Missmutig schnaubend machte er klar, dass ihm dieser Hilfsdienst gehörig gegen den Strich ging. Nikolas war sich sicher, dass er in seine Tasse gespuckt hatte. »Wie vereint sich das?«
    »Herr Brandenburg?«
    Nikolas deutete auf die Bücherrücken im Regal. »Shakespeares Romeo und Julia? König Lear? Dazu Chamberlains Rasse und Nation … und ganz rechts dann die chemische Fachliteratur. Ich wundere mich über Ihre … Vielseitigkeit.«
    Verwundert blickte Varusbach zu dem Regal und grinste schelmisch. Wenn er lachte, gab es seinem Gesicht einen einnehmenden, jugendlichen Ausdruck, als wäre er kein Mann am Anfang der 50er, sondern ein Bub, der von einem Mädchen schwärmt.
    »Sie haben mich erwischt, Herr Kriminalkommissar. Ich bin ein Schöngeist.« Dann bat er Nikolas, Platz zu nehmen. Gemeinsam nippten sie an ihren Tassen.
    »Chemie ist alles«, sagte er ernst und lehnte sich dabei nach vorn. Genauso schnell, wie das Lachen sein Gesicht verändert hatte, ebbte es nun ab. »Ohne Chemie würde nichts existieren. Die Menschen, Tiere – ja alles Leben besteht aus Kohlenstoffverbindungen. Wir haben alle diesen einen, kleinsten gemeinsamen Nenner.« Dann lehnte er sich zurück. »Es ist das Einzige, was uns alle verbindet, denn schon nach wenigen Ebenen sind die Unterschiede von Lebewesen zu Lebewesen so groß, dass es beinahe pervers ist, sich eine Bezeichnung teilen zu müssen.«
    »Sie reden von Menschen und Tieren.«
    »Auch, Herr Brandenburg … auch.« Wild gestikulierend stand er auf und dozierte weiter. »Alleine die Differenz zwischen einem Juden und einem Arier ist so gewaltig, dass man nicht mehr annehmen sollte, sie gehören zur selben Spezies. Man könnte fast sagen, dass etliche Evolutionsstufen dazwischen liegen.«
    Nikolas’ Gesicht blieb wie in Eisen gegossen. Er wollte dem Offizier keine Gelegenheit geben, seine Meinung zu erahnen. »Und die andere Literatur? Wie passt die ins Bild?«
    »Schönheit, Herr Brandenburg«, Varusbach klatschte in die Hände und wartete einen Moment. Dann umspielte der Hauch eines Lächelns sein Gesicht. »Was wäre das Leben ohne Schönheit? Ohne die kleinen Momente des Glücks und der vollkommenen Zufriedenheit?«
    Varusbach griff nach dem Bilderrahmen, der auf seinem Schreibtisch stand. Ruhig reichte er ihm diese Fotografie. Er hatte drei Kinder, die alle diesen spitzbübischen Ausdruck ihres Vaters besaßen. Im Arm hielt er eine wunderschöne Frau, deren Haare zu einer makellosen Wasserwelle frisiert waren. Dieses Foto hätte eines der Werbeplakate sein können, das eine perfekte deutsche Familie widerspiegelte. Nur war dieses hier um einiges besser. Nikolas stellte die Aufnahme auf den Schreibtisch.
    »Schönheit«, bestätigte er.
    Die beiden Männer nickten.
    »Warum sind Sie hier, Herr Brandenburg?«, wollte Varusbach schließlich wissen. Aus seinen Augen sprach Güte, als wolle er dem jungen Mann

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