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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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nicht einmal Zeit, zu schreien.«
    Sein Blick fiel auf die Leichen. Es könnte stimmen. Die Männer lagen auf dem Bauch, in der Nähe der Tür. Aber warum war Rohn nicht sofort geflüchtet? Warum in aller Ruhe warten, bis Verstärkung eintrifft?
    »Wie ist Ihr Name, Mademoiselle?«
    »Claire Corbousiere.« Wie zur Bestätigung hielt sie ihm zitternd ihren Ausweis hin. Die Alten konnten das Gespräch anscheinend nicht verstehen und machten es ihr nach. Ruhig studierte Nikolas das gefaltete Papier. Mit ihren 25 Jahren sah sie um einiges jünger aus, als sie tatsächlich war.
    »Sie sprechen gut deutsch«, sagte Nikolas und wollte mitfühlend klingen.
    »Habe es gelernt.«
    Tatsächlich war ihr französischer Akzent zwar stark, aber sie sprach schnell und flüssig.
    »Wieso sind Sie hier und nicht an der angegebenen Adresse?«
    Sie biss sich auf die Lippen. »Zerstört, von deutschen Bomben.«
    »Und jetzt wohnen Sie hier mit diesen Leuten?« Irgendetwas stimmte nicht. Der harte und unbarmherzige Ausdruck in ihren Augen passte nicht zu dem Zittern, zu dem Stammeln und der leisen Stimme. Ohne ihre Antwort abzuwarten, schärfte er seinen Blick. Im ersten Zimmer standen drei Hochbetten, boten also Platz für sechs Personen. Im zweiten, kleineren Zimmer, das von außen nicht zu erreichen war, stand lediglich eins. Dazu ein großer Schrank und eine Kommode.
    »Sie schlafen alle in diesem einen Zimmer?« Nikolas deutete auf die Betten. »Und wer nächtigt in dem anderen Raum?«
    »Zum Essen«, druckste sie.
    »Sie quetschen sich also alle in dieses eine Zimmer und das andere bleibt leer?«
    Keine Antwort.
    Nikolas rümpfte die Nase. Auch wenn er seinen Beruf alles andere als gern ausübte, so schien er zumindest etwas von Vaters Beobachtungsgabe und Sinn für Ungereimtheiten mitbekommen zu haben. Denn zumindest in diesem Moment schlug sein Alarm vollends aus.
    Luger hatte sich so auf die Verhaftung Rohns konzentriert und von diesem Erfolg blenden lassen, dass der alte Bluthund lediglich eine oberflächliche Durchsuchung der Wohnung hatte durchführen lassen.
    Die Gardinen waren doppelt genäht, sodass das Licht und die Geräusche, welche von außen hereindrangen, gedämpft wurden. Während die anderen Betten ranzig und ausgefranst waren, war dieses hier sauber und weiß, beinahe steril. Mit dem Laken eines Krankenhausbettes war es überzogen. Der typische, beißende Geruch von Desinfektionsmitteln drang ihm in die Nase. Nikolas verzog das Gesicht.
    Danach wischte er mit der Hand über den Boden vor dem Bett. Kein Staubkorn war auf seinen Fingern auszumachen. Als er denselben Test vor den anderen Betten wiederholte, war die Kuppe sofort schwarz. Es musste vor Kurzem geputzt worden sein, und zwar gründlich. Nikolas betrachtete das Möbelstück näher, ging mit dem Gesicht bis auf wenige Zentimeter heran. Das wackelige Gestell war an beiden Seiten derart abgerieben, dass man an genau zwei Stellen das Metall erkennen konnte. Nikolas fuhr mit der Hand über die Punkte. So etwas hatte er schon mal gesehen, als er Martin im Krankenhaus besucht hatte. Fixiergurte. Hier waren die Spuren eines Menschen, der über längere Zeit gefesselt wurde.
    »Lassen Sie die Gruppe nicht gehen«, schrie er in den Nebenraum zu den Soldaten. Sofort erhoben sie ihre Waffen wieder, was die Alten zusammenzucken und leise auf Französisch murmeln ließ. Nikolas erlaubte sich einen Blick. Anscheinend waren es nicht die Greise, die Claire beruhigten, die junge Frau beruhigte sie mit ihrer sanften Stimme und dem leichten, streichelnden Druck auf ihren Händen.
    Mit regem Interesse registrierte Nikolas diese Geste und öffnete den Schrank.
    Nichts. Hier war nicht ein Stück Kleidung zu finden, während sich im vorderen Zimmer die Koffer stapelten. Er betrachtete die Kommode. Er hielt nicht viel davon, in der Unterwäsche anderer Menschen herumzuwühlen, aber hier war es nötig. Trotzdem rümpfte er die Nase, als er die Schlüpfer und Büstenhalter auf den Boden fallen ließ, bis er auf dem Grund der Schublade angelangt war. Zwischen dem ganzen Weiß und Grau strahlte ihn ein allzu bekannter Junge im Schottenrock vom Titelblatt einer Zeitschrift entgegen, der in Begleitung seines Hundes in Richtung einer alten Burg ging.
    »Die Abenteuer von Tim und Struppi. Die schwarze Insel«, murmelte er, das dünne Heftchen in den Händen drehend. In jeder Schublade kamen etliche dieser zerknitterten Magazine zum Vorschein, bis sich schließlich auf dem Bett zwei Dutzend

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