Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
blasiert. »Er meint, dass diese Französin … Wie heißt sie doch gleich?«
»Corbousiere.«
»Genau, diese Corbousiere … die beiden umgebracht hat.« In der Luft vollführte er mehrere Hiebe mit einem imaginären Messer. »Zack, zack. Und nachdem sie das gemacht hat, wird sie die Ostfront aufmischen.«
Die Männer lachten, Nikolas hingegen gelang es gerade mal, seine Mundwinkel nach oben zu ziehen.
»Ich würde ihn gerne befragen«, warf er ein, als das Gelächter abebbte.
»Habe ich Ihren Bericht auf dem Schreibtisch?«
»Jawohl, Herr Hauptsturmführer.«
»Also, Brandenburg. Der wird sowieso hingerichtet, seine Vergehen reichen für 50 Todesurteile. Alles für den Pöbel. Die Angst des Volkes ist ein gefräßiges Tier, das gefüttert werden will. Wussten die übrigens schon im alten Rom.«
Luger hätte wunderbar in das Zeitalter gepasst, dachte Nikolas. Diese Epoche, deren Gesetze und Maßstäbe er so vergötterte, deren Literatur er wie ein Besessener studierte, hätte er allzu gern hier ausgelebt.
Sein Chef lächelte auf Rohn herab, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und drehte mit seinem Stiefel das Gesicht des Mannes nach oben. »Wenn Sie also das dringende Bedürfnis verspüren, mit ihm alleine zu sein, dann viel Spaß. Sollten Sie Probleme bekommen, klopfen sie einfach. Zwei Männer stehen ja vor der Tür.«
Laut prustend verließen sie den Raum. Erst als die Tür ins Schloss fiel, wurde es endlich ruhiger.
Dort lag er also. Ein aus unzähligen Wunden blutender, wütend schnaubender, riesiger Massenmörder. Und die Tür konnte nur von außen geöffnet werden. Nikolas bemerkte, wie sich ein Klos in seinem Hals verfestigte. Mit Mühe konnte er sich aus seiner Starre lösen und den Hünen auf den Stuhl hieven. Er selbst nahm gegenüber Platz und öffnete die Akte.
»Überhebliches Arschloch«, murmelte Rohn, während Nikolas die Schriftstücke studierte: ›Heinz Rohn, geb. 15. 04. 1901 in Viersen, Feldwebel (Feldbeförderung) der Eliteeinheit Baulehrbataillons 800 zur besonderen Verwendung, 4. Kompanie, Standort: Niederrhein, Sprachen: deutsch, polnisch, französisch. Verschiedenste Sabotage- und Zersetzungseinsätze in Norwegen, Dänemark, Jugoslawien, Griechenland, Polen und Libyen (unterliegen Geheimhaltungsstufe eins). Während der »Operation Salaam« in Ägypten im Mai 1942 desertiert und seitdem auf der Flucht. Tötet nach und nach mehrere Mitglieder seiner Einheit. Ausgebildet an verschiedensten deutschen und ausländischen Waffenmodellen, hochgradig gefährlich, wahrscheinlich psychopathisch.‹
»Sie sind ganz schön rumgekommen«, sagte Nikolas beiläufig.
Keine Antwort. Allmählich wurde Rohns Atmung ruhiger und das Röcheln nahm ab. Er spuckte auf den Boden.
»Sie sehen übel aus.«
»Bin schon schlimmer vermöbelt worden«, brummte er. »Lässt dich von dem Typen ganz schön runtermachen.« Rohns grüne Augen funkelten.
Nikolas wurde das Gefühl nicht los, dass ihn das Ganze köstlich amüsierte. »Was interessiert Sie das?«
Der Feldwebel zog die Nase hoch und spuckte erneut Blut. »Nichts. Ich bin in ein paar Tagen tot.«
»Da haben Sie recht. Nun ja, es wird etwas länger dauern. Diese Schauprozesse sind langwierig.«
Rohn grinste breit. »Also werde ich berühmt.« Seine Zähne waren von Blut befleckt.
»Zumindest kurz, ja«, pflichtete Nikolas ihm bei. Er schlug die Akte zu und lehnte sich zu dem Mann, der nach vorn gebeugt über dem Tisch hing. »Was meinten Sie, als Sie sagten, dass die Kleine es war?«
»Würdest du mir glauben? Einem fahnenflüchtigen Irren?«
»Nein.«
»Warum stellst du mir die Frage dann?« Rohn schnalzte mit der Zunge und sah ihn eindringlich an.
»Gut«, antwortete Nikolas nach kurzem Nachdenken. »Nehmen wir für eine Sekunde an, dass ich Ihnen Glauben schenken würde. Alles, was vorher passiert ist, interessiert mich nicht, ich will nur wissen, was sich vor wenigen Stunden zugetragen hat.«
»Ohne Fesseln kann ich besser reden«, grollte der Mann.
Nikolas verzog keine Miene. »Ja, und besser töten.«
»Du willst die Geschichte hören, dein Risiko.«
Einem Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, die Handschellen abnehmen zu lassen, einem gesuchten Mörder und Wahnsinnigen, der nichts anderes gemacht hat, als zu töten – Nikolas konnte selbst nicht fassen, dass er aufstand und einer der Wachen befahl, die Handschellen zu öffnen. Langsam hatte er das Gefühl, er könnte sich selbst nicht mehr trauen. Sein
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