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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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wie ein Gladiator, der einer römischen Arena entsprungen war. Dieser Mann musste gute Kontakte haben. Nur ein Klopfzeichen an eines der zugenagelten Häuser, ein paar Worte und schon hatte man ihm neue Kleidung gereicht. Natürlich gegen eine fürstliche Bezahlung.
    In Rohns Augen lag eine Gelassenheit, wie Nikolas sie selten gesehen hatte. Wenn die Avenue Foch die Todesmaschine Paris’ war, so war dieses Viertel hier die Gegenbewegung. ›Und wenn draußen auch der Krieg tobt, hier ist Spaß‹ tönte es von einem der unzähligen Werbeplakate, auf denen leicht bekleidete Damen abgebildet waren. Manche Viertel wurden bei Tagesanbruch wach, wenn die ersten Bäcker ihre Türen öffneten und die Menschen langsam den Schlaf aus den Gliedern schüttelten. Hier war es andersherum. Wenn das Rotlicht aus den Fenstern schimmerte und sich mit der Dunkelheit der Nacht zu einem ganz eigenen Farbton vermischte, zog es Geschöpfe an, die tagsüber Banker oder Hausfrauen waren. Doch hier zu den Füßen des Butte Montmartre tauchten sie ab in eine andere Welt. Im grünen Absinthschleier, wenn sich das Nervengift beruhigend auf die Sinne legte und den Körper in wohliger Ekstase wiegte, konnte alles passieren. Untergehen in einer Welt aus Champagner und Liebe. Eine Welt wie ein Mikrokosmos, in der in einer Nacht alles möglich war und sich die intimsten Träume erfüllten, wenn man genug Franc besaß. Selten war Nikolas während seiner Dienstzeit hier gewesen und wenn, dann nur in Begleitung von Dutzenden Soldaten. Da er sich nun in Zivilkleidung und ohne Männer in Uniform bewegte, traf ihn die gesamte Wucht des Pariser Nachtlebens. Hier flanierten exotische Damen oder solche, die zumindest danach aussahen, in Begleitung von Frackträgern Hand in Hand über die Straße, genossen ein Varieté in Verbindung mit zu viel Alkohol. Und das zu Zeiten der Ausgangssperre!
    Er konnte nur mutmaßen, wie viele Offiziere dies duldeten, wenn auch sie im Schutz der Nacht hier Kurzweil suchten. Eine lange Schlange bildete sich bereits vor dem Moulin Rouge, dem Epizentrum der Pariser Sünde. Hier machten sich die Menschen nicht einmal die Mühe, ihre Hüte tief ins Gesicht zu ziehen, um ihr Antlitz zu verbergen. Die älteren Herrschaften hielten jauchzend mehrere Mädchen im Arm und gingen durch die für sie geöffneten Türen, begleitet von den sehnsüchtigen Blicken der Jüngeren. Es war ein Tollhaus, ein Narrenschiff, das unwillkürlich gegen den Strom segelte. Hier suchte jeder etwas – meistens war es Sex. Vielleicht auch Zuneigung, einen flüchtigen Kuss, einen Zuhörer. Nikolas suchte etwas anderes.
     
    »Wie weit noch?«, blaffte er Rohn an, als er das Gefühl hatte, dass sie zum wiederholten Mal an demselben Lokal vorbeigingen.
    »Wie viel Geld hast du dabei, Kommissar?«
    Während er seine Geldbörse herausholte und die Scheine zählte, lehnte er sich zu dem Feldwebel hinüber. »Nachdem Sie sich komplett neu einkleiden mussten? Sie wissen, warum wir hier sind. Ich werde ganz bestimmt nicht auch noch Ihre nächtlichen Aktivitäten bezahlen, also bringen Sie mich zu Corbousiere und ihrem Versteck.«
    Mit einer schnellen Handbewegung ergriff Rohn die Scheine.
    Nikolas fauchte abfällig. »Sie haben gar keine Skrupel, oder?«
    »Doch, und dazu ein Paar neue Schuhe.« Geschickt blätterte er mit einer Hand die Scheine durch. »120 Franc? Das ist alles? Ihr verdient nicht wirklich gut bei der Kriminalpolizei, oder?«
    »Wem sagen Sie das«, murmelte Nikolas und wühlte mit dem Finger in den Münzen, in die seit einiger Zeit das Emblem der Vichy-Regierung eingeprägt war.
    »Wofür brauchen Sie das Geld?«
    »Bestechung«, antwortete Rohn. »Mit Geld kannst du hier alles bekommen.« Er grinste und deutete in eine Seitenstraße etwas Abseits vom Trubel. »Sogar deine Wahrheit.«
    Die Wärme des Tages war komplett verflogen und der Wind hatte zugenommen, als sie vor einem mehrstöckigen Gebäude standen. Ein leichter Nebel durchzog die Nacht und legte sich klamm auf ihre Kleidung. Die Häuserschlucht schien hier das Licht zu schlucken. Nikolas schlug den Kragen seines Mantels hoch und folgte Rohn, bis sie vor einer eisernen Tür standen. Lediglich die Tafel neben dem Eingang verkündete in liebloser Schrift, dass hier eine Bar sein musste. Mehrmals schlug Rohn gegen die Tür. Das Metall kreischte, als das Sichtfenster zur Seite glitt, und sie von zwei düsteren Augen gemustert wurden. Ohne etwas zu sagen, schob Rohn einen Schein durch den

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