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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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du beschritten, auf denen ich dir jetzt folgen muss?
    Nie zuvor hatte Nikolas die eiskalte Hand des Todes so oft gespürt wie in dieser Nacht. Zitternd kauerte er im Wagen. Er hatte Filme gesehen, in denen so etwas passiert. Bilder aus der Wochenschau, die in den Lichtspielhäusern übertragen wurden, von Soldaten, die ihre Waffen abfeuerten. Doch dort waren weder Tote zu sehen noch erfuhr man, dass die Wunden wie Feuer brannten. Rote Glut unter der eigenen Haut.

Kapitel 10
     
    – Der Feind meines Feindes –
     
    25. August 1938, Düsseldorf
     
    »Und hier willst du mal arbeiten?«
    Etwas gequält sehe ich mich in dem Krankenhaus um. Irgendwie liegt mir der Geruch nicht. Zu steril, zu viele kranke Menschen, zu viel Tod.
    »Natürlich«, platzt es aus Martin heraus, der genau die gegenteiligen Empfindungen hat. Seine Augen leuchten, als hätte man ihn nachts in einen Süßigkeitenladen eingesperrt. Nun ja, seiner Figur nach zu urteilen, hat man das tatsächlich für ein paar Wochen.
    »Ich finde es unglaublich spannend. Stell dir mal vor, wie es ist, an lebenden Menschen zu operieren.« Sein Gesicht fährt rum und ist noch rötlicher als sonst. »Ich habe mich nun endgültig für die Chirurgie entschieden. Bedürftigen helfen, dass sie wieder ein normales Leben führen können und so weiter.«
    »Und so weiter?« Der Blumenstrauß raschelt. Ich nehme den Hut ab und lege ihn über die Pralinenschachtel. Hoffentlich mag Edith überhaupt derlei Köstlichkeiten. War schon schwer genug, sie vor Martin zu verteidigen. »Was willst du denn damit sagen?«
    »Muss ein unglaubliches Gefühl sein, mit der Hand in einem Menschen drin zu stecken, den Herzschlag zu fühlen, ihn zu heilen.« Seine Hände formen einen Ball, den er pochen lässt. Mit dem Mund imitiert er dabei Herzschläge. »Das Sternum zu öffnen, die Lungenflügel zur Seite zu drücken und dann zu sehen, wie das mit Sauerstoff angereicherte Blut durch die Aorta gepumpt wird.«
    Er weiß genau, dass sich alleine bei dem Gedanken mein Magen umdreht. »Ja, ist gut, ich hab es verstanden, Herr Doktor.«
    Martin winkt ab, während sein Blick an einem offenen Beinbruch hängen bleibt. »Bis dahin ist noch ein langer Weg.«
    Er drückt mir sein Präsent in die Hände und geht ein paar Schritte auf den armen Teufel im Krankenbett zu. »Hier, halt mal.«
    »Ist das dein Ernst?« Ich halte das Päckchen mit einem vorwurfsvollen Ausdruck hoch. »Zigarren? Erik raucht doch nicht einmal.«
    »Ich weiß«, antwortet er. »Gefäßverkalkung, Geschwülste in der Lunge, Bluthochdruck.« Im Gehen legt er seinen Kopf zur Seite. »Aber ab und zu kann man sich das mal gönnen.«
    Interessiert beäugt er den offenen Bruch des Mannes und ist versunken in einer Welt voll Medizin und lateinischen Fachausdrücken, die ich nicht verstehe. Am liebsten würde er direkt selbst Hand anlegen. Ich lasse ihm seine Passion und mache mich auf den Weg in den dritten Stock.
    Hier ist es ruhiger und ich fühle mich auf Anhieb wohler. Krankenschwestern kreuzen meinen Weg und lächeln mich an. Vielleicht bitte ich Erik, sie mir später mal vorzustellen. Bedächtig öffne ich die Tür zu Ediths Zimmer. Der Raum liegt im Dunkeln. Ohne das Licht einzuschalten, mache ich ein paar Schritte. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an das Mondlicht, welches das Zimmer zärtlich in seinem Schein wiegt. Ich sehe eine Gestalt, die dicht an das Fenster gedrängt auf dem Sims sitzt.
    »Erik?«
    Keine Antwort. Ich gehe auf ihn zu, lege die Geschenke und meinen Mantel auf das leere Bett und trete an ihn heran. »Erik? Was ist hier los? Wo ist Edith?«
    Er schweigt. Als wären seine Augen mit dem Wäscheknäuel in seinen Armen verbunden, sieht er nicht auf, hält es nur ruhig. Ich lege meine Hand auf seine Schulter.
    »Erik?«
    Langsam sieht er zu mir und ich erkenne sein Gesicht. Der Schein des Mondes macht es beinahe weiß. Die Wangen sind feucht und dick angeschwollen. Zum ersten Mal in unserer langen Freundschaft kann ich in seinen Augen nichts lesen.
    Leere. Als hätte sein Geist, seine Seele, den Menschen, der hinter den blauen Augen liegt, den Körper verlassen.
    Dann bewegen sich seine Lippen, doch kein Laut verlässt seinen Mund. Er setzt erneut an. »Sie ist tot, Nikolas.«
    Es dauert einige Momente, bis seine Worte mich erreichen. Das Bett ist leer, frisch bezogen. Bereit für einen neuen Patienten. Fließbandarbeit mit Menschen.
    Meine Stimme verliert Festigkeit, meine Worte zerfallen. »Was sagst du

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