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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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da?«
    Eine weitere Träne verlässt seine Augen, rollt über die Wange und fällt schließlich in das Wäscheknäuel. »Bei der Geburt gestorben.« Seine Worte sind wie Spinnfäden, jeder Laut könnte sie durchschneiden.
    Automatisch fährt meine Hand an den Mund. Ich vermag nichts mehr zu sagen, spüre jetzt erst die Trauer und den Schmerz, die mein Freund in den letzten Stunden erleben musste. Als würden die Wände alles für eine Sekunden wiedergeben. Plötzlich ist es ruhig. Minuten vergehen. Meine Hand ruht auf seiner Schulter. Die ganze Zeit. Schweigend. Leidend.
    »Ich werde auf sie aufpassen, Nikolas.« Er haucht die Worte in den Raum, so leise und bebend, dass ich mich nicht traue, zu atmen. Mit zitternden Fingern nimmt er die Decke und schiebt sie langsam zur Seite. Erst jetzt bemerke ich den Säugling, den er im Arm hält. Dann spricht er zu seiner Tochter. Nur zu ihr, als wären sie allein auf dieser Welt.
    »Ich werde auf dich aufpassen, Marie. Nichts soll dir geschehen, gar nichts.« Seine Stimme wird kräftiger, beinahe rau. »Egal, was kommen mag, ich verspreche, dass ich immer für dich da sein werde. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dich vor allem beschützen, das verspreche ich dir. Ich werde auf dich aufpassen, Marie. Solange ich lebe, wird dir nichts geschehen, mein Engel. Das verspreche ich dir.«
    Seine Augen brennen, als er seinen Schwur ausspricht. Ein Pakt mit sich selbst. Nicht brechbar. Für immer.
    Er legt seine Lippen zärtlich auf ihre Stirn. Für einen Herzschlag bewegt sich der winzige Kopf. Dann gluckste sie leise, also wolle sie sagen, dass sie ihn verstanden hat.
     
    *
     
    »Guten Morgen, Prinzesschen.« Rohns verhöhnende Stimme riss ihn aus seinem Traum. »Bist ’n ziemliches Weichei, oder?«
    Nikolas’ Kopf schoss herum. Sofort drang ihm der Geruch von Heu und Fäkalien in die Nase. Erst konnte er durch den milchigen Schleier seines Blickes nur Stroh ausmachen, dann wurden die Umrisse deutlicher. Durch das löchrige Holzdach fielen einzelne Sonnenstrahlen auf den dreckigen Boden. Dort, wo die Lichtsäulen im Raum standen, tanzte der Staub. Inmitten von altem Werkzeug und gackernden Hühner wartete der durchlöcherte Citroën.
    »Wo sind wir?«, stöhnte er bei dem Versuch, sich aufzurichten. Mit dem Schmerz, der sich in Wellen von seiner Schulter ausbreite, kam die Erinnerung an die gestrige Nacht zurück.
    »Ein Bauernhof außerhalb von Paris. Hier sind wir erst mal in Sicherheit«, grummelte Rohn, während er tief in der Motorhaube des Wagens steckte. Die Uniformjacke hatte er abgelegt, sodass sich zu den roten Blutflecken tiefschwarze Ölreste gesellten. Sein Unterhemd glich nun mehr einem Gemälde als einem Kleidungsstück.
    Nikolas fasste sich an den Kopf. »Mir brummt der Schädel.«
    »Trink und iss etwas, wir haben heute ’ne ganze Menge zu tun.«
    Nikolas wollte gar nicht wissen, wo Rohn das Brot, den Käse und die Milch herhatte. Vielmehr wunderte es ihn, dass er noch am Leben war. Zum einen, weil ihnen die Flucht aus der Avenue Foch tatsächlich gelungen war, zum anderen, weil Rohn ihn nicht kaltblütig ermordet hatte. Während er sein Frühstück hinunterschlang, befühlte er seine Hand. Sie war frisch verbunden, schmerzte zwar bei jeder Bewegung, doch es war auszuhalten. Der Feldwebel hatte hervorragende Arbeit geleistet. Selbst Martin hätte es nicht besser hinbekommen. Er betrachtete das offene Scheunentor. Die Sonne stand tief, es musste spät am Nachmittag sein. Und obwohl es nicht mehr lange dauern würde, bis sie am Horizont verschwunden war, war ihm doch nicht kalt. Im Gegenteil. Dieser Tag hatte einen Hauch von Frühling, von Aufbruch, von Wärme.
    Mit ziehendem Röhren sprang der Motor des Wagens an, was Rohn dazu veranlasste, den Schraubenschlüssel jubelnd in Richtung von ein paar Hühnern zu werfen. »Ich wusste, dass die alte Mühle noch ein paar Kilometer fahren kann!«, triumphierte er. Mit einem Satz sprang er neben Nikolas, ließ seinen Körper ins Stroh fallen und schob sich ein riesiges Käsestück in den Mund. »Wer ist dieser Stuckmann? Dieser Erik?«
    »Woher wissen Sie von ihm?«
    Rohn lachte auf, rieb sich mit einem Lappen das Gemisch von Schweiß und Öl aus dem Gesicht.
    »Du redest im Schlaf. Hast irgendetwas von einem Erik gemurmelt. Und gestern bist du ganz hellhörig geworden, als ich seinen Namen sagte. Hast viel riskiert, um mich rauszuholen, nur um seine Spur weiterzuverfolgen. Deshalb wüsste ich gerne, warum du

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