Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
ihrerseits. Die Worte klangen mit jedem Herzschlag lauter, bis Rohn auf einmal verstumme. Die beiden Widersacher nicht aus den Augen lassend, konnte Nikolas einen Schatten in seinem Blickfeld ausmachen. Dann durchzog das Spannen einer Waffe den Raum und er konnte gar nicht anders, als sich umzusehen. Mit eisiger Miene hatte Claire eine Waffe auf Nikolas gerichtet, während sie die lange, gezackte Klinge eines Messers an Rohns Hals hielt. Obwohl sie auf Zehenspitzen stehen musste, bewegte sich der Lauf keinen Millimeter. Sie waren verloren. Diese Männer waren gut trainiert. Sogar Rohn hatte die Effektivität der Zelle gehörig unterschätzt. Das kleine Rinnsaal Blut, das sich von seinem Hals den Weg nach unten suchte, war der Beweis für ihr Versagen.
»Wie viele seid ihr?«, schoss es aus Claire heraus.
»Nur wir«, antwortete Nikolas aus trockener Kehle. Alle seine Sinne waren nun hellwach und auf das Gesicht der Frau konzentriert, die er am gestrigen Tage noch zitternd und bebend vor Angst erlebt hatte.
»Bitte«, sagte Nikolas und ließ langsam seine Waffe sinken. »Wir wollen lediglich reden.«
Claire stieß einen verächtlichen Laut aus und verfestigte ihren Griff um das Messer. »Seit wann will die SS nur reden?«
»Ich bin nicht im Auftrag der SS oder der Kripo hier …«
Nikolas legte die Waffe auf den Boden, was die beiden Franzosen sofort animierte, aus der Deckung hervorzukommen. Einzig Rohn hielt die Walther noch auf den rothaarigen Franzosen gerichtet. Claire verstärkte erneut den Druck auf seinen Hals.
»Kennen Sie Erik Stuckmann?«, fragte Nikolas die junge Frau.
Sie wechselte vielsagende Blicke mit ihren beiden Mitstreitern. Er spürte, dass dieser Name etwas auslöste. Eine Reaktion, die er ausnutzen musste. »Er ist ein Freund von mir. Nun ja, war. Wir kannten uns seit Kindertagen und er hat mir diesen Brief geschrieben.«
Mit zitternder Hand fingerte Nikolas das Schriftstück aus der Innentasche seines Mantels und hielt es in die Höhe. »Hier steht, dass ich mich an Sie wenden soll. Sie könnten mir mehr erzählen über seinen Unfall. Sie könnten mir helfen, das alles zu verstehen.«
Der dunkelhäutige Widerständler brüllte irgendwas zu Claire, was Rohn auf Französisch beantwortete.
»Beweis es!«, keifte sie schließlich.
Nikolas sah sich um, griff schließlich langsam zu seiner Geldbörse, immer von den Läufen der Waffen verfolgt, und warf sie vor Claire auf den Boden.
Nur für einen Moment war sie abgelenkt. Blitzschnell rammte Rohn seinen Ellenbogen gegen ihren Kopf, drehte sich gegen ihren Griff und schlug ihr die Pistole aus der Hand. Im selben Augenblick nahm er ihr Handgelenk mit dem Messer und drückte es an ihren Hals. Sofort brüllten die Männer durcheinander und zielten drohend mit ihren Waffen auf Rohn. Erst als Nikolas sich mit erhobenen Händen in die Schusslinie bewegte, nahm das Gebrüll ab. Sein Körper zitterte, während ihm bewusst wurde, wie nah sie an einer Katastrophe vorbeigeschrammt waren.
»Rohn, lassen Sie Mademoiselle Corbousiere das Foto sehen!«, befahl Nikolas mit zunehmend aggressiver Stimme.
»Einen Scheiß mach ich, die Schlampe hat mich verraten, ich schlitz ihr den Hals auf!«
»Dann sterben wir alle, also lassen Sie sie die Geldbörse aufheben.«
Rohn atmete durch. Nikolas spürte, wie er seine Optionen durchging. Hätte er sie gefahrlos umbringen können, er hätte die Klinge durchgezogen, dessen war Nikolas sich sicher. Leider war ihr Tod gleichbedeutend mit Rohns eigenem, also ließ er die Frau gewähren. Doch Nikolas war klar, dass Rohn nur so lange ruhig bleiben würde, solange der Status quo anhielt. Nikolas musste dafür sorgen, dass es so blieb.
Aufmerksam musterte sie das Foto aus Jugendtagen, wobei sie abschätzend immer wieder zu der Aufnahme, dann zu Nikolas sah.
»Und? Sie erkennen doch, dass wir das sind, oder?«
Claire nickte, die Augen zu Schlitzen verengt, das Gesicht aus Eis, während Blut aus ihrer Nase floss und sich tröpfelnd über ihre helle Haut legte.
»Kommen Sie, Mademoiselle Corbousiere, wenn dies ein offizieller Auftrag wäre, dann wäre das Gebäude doch längst umstellt und drei Dutzend Soldaten würden hier alles kurz und klein schießen. Aber wir wären bestimmt nicht zu zweit gekommen, oder?«
»Vermutlich nicht.« Sie klang ruhig und hasserfüllt.
Nikolas nahm all seinen Mut zusammen. Zeit für eine Finte. »Wo ist der Junge?« Es war lediglich eine Vermutung, eine recht vage dazu, doch seine
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