Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
darum. Denn ich denke, das Oberkommando ist sehr interessiert, wie die Autorität des Militärbefehlshabers von Ihnen auf schändliche Weise untergraben wird.« Sein Tonfall war nicht minder laut, doch lag in seinen Sätzen die ruhige Gewissheit des Rechts und die Gelassenheit der Autorität. Das musste selbst Luger einsehen.
»Wo bringen Sie sie hin? Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, Herr Major, dass diese Personen unter dem dringenden Tatverdacht des Hochverrates stehen. Die Untersuchungen in diesem Fall obliegen …
»Zur Kenntnis genommen«, unterbrach ihn der Oberstleutnant harsch.
Nikolas hätte mehrere Solde dafür gegeben, nur um Lugers Gesichtsausdruck sehen zu können. Auch wenn der Tod ihm noch von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, musste er doch hämisch grinsen.
Luger unternahm einen weiteren Versuch. »Herr Oberstleutnant, ich lasse die Gefangenen nur unter schärfstem Protest gehen. Die Dokumente zur Überlassung müssen von unseren Dienststellen geprüft werden, bis wir …«
»Herr Hauptsturmführer!«, platzte es aus dem Wehrmachtsoffizier heraus. »Sie überschreiten gehörig Ihre Kompetenzen!«
Dann war Stille.
»Melden Sie sich ab!«, befahl der Oberstleutnant.
Ohne ein weiteres Wort entfernten sich die schweren, stampfenden Schritte von Luger schnell.
»Abmarsch«, bellte der Offizier gereizt.
Grob wurde Nikolas am Arm gepackt und nach wenigen Metern auf die Rückbank eines Autos verfrachtet. Er konnte es nicht fassen. Hatten sie jemals vorgehabt, sie zu erschießen? Oder war es ein Kompetenzgerangel zwischen Wehrmacht und Reichssicherheitshauptamt? Ein Behördenstreit, nichts weiter. Er konnte hören, wie Martin etwas zu den Soldaten sagte, aber seine Stimme war weit entfernt, wahrscheinlich führten sie ihn gerade zu einem anderen Wagen.
Er musste sich unnatürlich weit nach vorn lehnen, damit das Metall der Handschellen nicht zu schmerzend an den offenen Wunden seiner Handgelenke rieb. Schließlich setzte sich der Wagen in Bewegung. Auch wenn er dem sicheren Tod noch einmal entronnen war, wollte er doch nicht durchatmen. Brachte die Wehrmacht ihn nach Berlin? Ein Schauprozess, wie er ihn schon bei Luger vor seinem geistigen Auge gesehen hatte? Würden sie es öffentlich machen mit einer Scheinvertretung von einem ihrer Anwälte? Oder unter Folter, weil sie sich weitere Erkenntnisse erhofften? Aber warum? Das hätten sie genauso gut in der Avenue Foch erledigen können.
Nikolas wünschte sich eine Zigarette, deren Wirkung sich beruhigend über seine Sinne legte und ihn besser nachdenken lassen würde.
Keiner der Soldaten, die mit ihm im Wagen saßen, sagte ein Wort. Doch er konnte sie atmen hören. Drei, wenn er nicht irrte. Bei jeder Unregelmäßigkeit der Straße verzog er unter Schmerzen das Gesicht. In seiner Magengegend pochte es und das Atmen fiel ihm schwer. Vielleicht hatte Luger eine Rippe erwischt, als er seinen Fuß unaufhörlich gegen seinen Körper gedonnert hatte.
Er schätzte die Dauer der Fahrt auf eine halbe Stunde, als der Wagen endlich hielt und ihm herausgeholfen wurde.
Von den Männern flankiert wurde er durch mehrere Türen geleitet, wobei hinter jeder der Wärmepegel stieg. Leichtes Stimmgewirr drang in seine Ohren, dazu das Klackern von Schreibmaschinen und das Rattern der Fernschreiber. Es roch muffig, als sollte dieser Raum dringend durchgelüftet werden. Waren die Soldaten in der Avenue Foch noch grob gewesen und hatten ihn beinahe die Treppe hochgeschleift, war ihr Griff nun hilfsbereit und sorgsam. Dann musste er warten. Sekunden, Minuten, die Zeit zog an ihm vorbei wie die Menschen, die anscheinend nichts Irritierendes dabei fanden, dass ein gefesselter Mann im Raum stand. Dem militärischen Ton nach zu urteilen, war er in einer Behörde der Wehrmacht. Aber warum war er hier?
Mit leichtem Druck wurde er in einen Raum gebracht, der noch wärmer war als alle zuvor. Der Wechsel von der Kälte der Nacht in die überhitzten Räumlichkeiten ließ seinen Kopf schwirren. Behutsam drückten sie Nikolas in einen Sessel. Das weiche Leder knarzte, schmiegte sich an seine Arme und gab etwas nach.
»Die Augenbinde«, ertönt es hinter ihm.
Er stöhnte auf, weil seine Augen sich nur langsam an das helle Licht des Raumes gewöhnten.
»Und die Handschellen.«
Auch diese wurden ihm nun abgenommen. Er spürte, wie seine Handgelenkte brannten und jeder Atemzug schwerfiel.
Nikolas sah durch einen milchigen Schleier. Nur langsam verfestigte sich das
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