Wunschkonzert: Roman (German Edition)
mir heiß und kalt, und es würde mich wundern, wenn ich in diesem Moment weniger unruhig wäre als Mareike.
»Unter deinem Bett lag jemand?«, fragt Oliver nach. »Wer? Warum?«
»Tja«, David zuckt mit den Schultern. »Das wüsste ich auch sehr gerne. Aber ich habe keine Ahnung.« Er lässt seinen Blick von einem zum anderen wandern, und ich bin mir sicher, dass er bei mir eine Millisekunde länger hängenbleibt als bei den anderen. »Deshalb fände ich es schön, wenn der- oder diejenige es jetzt einfach zugibt.«
Die Anwesenden sehen ratlos aus, während mir das Herz bis zum Hals schlägt. Soll ich es jetzt einfach sagen? Dass ich diejenige war, dass ich einfach nur mal in das schwarze Buch gucken wollte und die sich dann unterm Bett versteckt hat?
Nein, das ist undenkbar, ganz und gar undenkbar! David weiß nicht, wer es war – und so soll es auch bleiben!
»Und?«, fragt unser Boss noch einmal nach und sieht auffordernd in die Runde. Aber keiner gibt auch nur einen Mucks von sich, und ich halte meine Lippen so fest verschlossen, als müsste ich die Goldbestände von Fort Knox in meinem Mund sichern. David wartet noch eine Minute, dann seufzt er und greift nach der Flasche. »Gut, dann eben nicht. Machen wir also weiter.« Er lässt sie kreiseln, und als hätte es das Schicksal besonders gut mit mir gemeint, zeigt sie diesmal natürlich auf mich.
»Äh«, sage ich, »ich glaube, mir fällt nichts ein.« Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, aber in meinem Kopf geht es gerade so dermaßen drunter und drüber, dass mir nicht mal peinliche Anekdoten aus dem Kindergarten einfallen würden.
»Ach, komm schon, Stella!«, ruft Hilde. »Ich bin mir sicher, du hast auch ein paar Leichen im Keller!«
»Aber ich komme gerade wirklich auf nichts«, behaupte ich. Sicher, ich könnte von meiner Nacht mit Martin berichten, für die ich mich schäme. Oder zugeben, dass
ich
es war, die bei David unterm Bett gelegen hat. Aber das kann ich nicht, ich kann es einfach nicht, ich bin ja schon so kurz vorm Herzstillstand! »Meine beiden peinlichsten Erlebnisse kennt ihr schon, das waren einmal das Kotzen aus dem Bus und der Karaoke-Abend.«
»Das war doch beides nicht peinlich!«, findet Hilde. »So was passiert.«
»Für mich war’s peinlich genug.«
»Och, Mensch!«, sagt Tobias. »Jetzt mach schon! Komm, Miss Superperfekt, beweis uns, dass in dir auch nur ein normaler Mensch steckt und kein Android!«
In meinem Gedächtnis krame ich fieberhaft nach etwas, was ich erzählen könnte. Etwas, das einerseits beschämend genug ist, damit meine Kollegen zufrieden sind, andererseits aber auch nicht so schlimm, dass ich mich komplett zur Idiotin mache.
Das Leben ist ein Spiel,
meldet sich Davids Stimme in meinem Hinterkopf.
Und jeder macht dafür seine eigenen Regeln.
Vielleicht ist das jetzt so ein Moment? Ich könnte mir hier einfach etwas ausdenken oder eine superpeinliche Geschichte, die Miriam mir mal erzählt hat, auf mich ummünzen. Wer soll das schon merken?
»Also«, beginne ich, »ich bin da mal auf diese Party gegangen von dieser Frau, die mich eigentlich furchtbar fand, und …«
Nein. Ich kann das echt nicht. Oder konkreter gesagt: Ich
will
das einfach nicht. »Und wenn ich es mir recht überlege: Sorry, das geht euch alle gar nichts an. Es tut mir leid, wenn ich die Spielverderberin geben muss. Aber ganz ehrlich: Ich kann euch nichts erzählen, was euch befriedigen würde. Ich habe noch kein Pfingstwunder verschuldet, ich habe im Büro zwar mal einen Klebestift mitgehen lassen, würde aber nie auf die Idee kommen, Firmeneigentum wie CDs zu verkaufen, und was romantische Kamikazeaktionen angeht«, ich schaue Tobias an, »dafür bin ich einfach nicht gemacht. Ja, es gibt ein paar Geschichten, bei denen ich mich nicht mit Ruhm bekleckert habe – aber die finde ich selbst schlimm genug, die muss ich hier nicht auch noch in der Gruppe beichten. Und deshalb«, ich erhebe mich aus meinem Schneidersitz, »werde ich jetzt auch ins Bett gehen. Tut mir leid, dieses lustige Spiel müsst ihr ohne mich weitermachen.« Mit diesen Worten steuere ich die Tür vom Aufenthaltsraum an, reiße sie auf und lasse sie hinter mir ins Schloss fallen.
»Stella wieder! War ja klar«, höre ich jemanden noch laut und deutlich sagen. Ich weiß nicht, wer es ist – aber ich habe das Gefühl, es hätte jeder meiner Kollegen sein können.
Auf dem Weg in mein Zimmer versuche ich, das Gedankenwirrwarr in meinem Kopf zu stoppen.
Ist
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