Wunschkonzert: Roman (German Edition)
was Hilde uns da eben erzählt hat, ist so dermaßen zum Kringeln, dass es kaum auszuhalten ist.
»Das war bei einer Grillparty vor zehn Jahren«, fing sie an. »Wir hatten so ungefähr dreißig Leute zu Pfingsten eingeladen, und meine älteste Tochter brachte zum ersten Mal ihren neuen Freund mit, um ihn uns vorzustellen. Ein netter junger Mann, mittlerweile ist sie mit ihm verheiratet, sie haben zwei Kinder. Thomas heißt er, was aber für meine Geschichte keine Rolle spielt. Jedenfalls hatte Thomas seinen Hund dabei, einen kleinen Dackel. Der stromerte bei uns durch den Garten, während wir ein fröhliches Fest feierten. Irgendwann hörte ich meine Tochter laut aufschreien und lief sofort zu ihr, um nachzusehen, was passiert war. Sie stand hinten im Garten, weinte und deutete schockiert auf Thomas’ Dackel.« An dieser Stelle machte Hilde eine bedeutungsschwangere Pause, und ich fragte mich, was nun noch kommen würde. »Der Hund war komplett mit Dreck verschmiert – und hielt ein totes Kaninchen im Maul!«
»Ach du Scheiße!«, rief Mareike.
»Das kannst du wohl sagen! Der Dackel hatte eins der Kaninchen meiner Nachbarin Gerlind gerissen, das arme Tier war mausetot.«
»Und dann?«, wollte Tobias wissen.
»Tja, wir waren auf einmal alle in heller Panik. Thomas hatte Angst, dass Gerlind darauf bestehen würde, seinen Hund einschläfern zu lassen. Also überlegten wir fieberhaft, was wir tun könnten. Schließlich hatte ich die Idee, aufs Land zu fahren und ein paar Bauernhöfe abzuklappern, um ein Ersatzkaninchen zu finden. Wir waren ewig lange unterwegs und mussten am Ende den Besitzer einer Tierhandlung rausklingeln, bis wir endlich ein Tier hatten, das einigermaßen so aussah wie das tote. Und das haben wir dann heimlich wieder bei unseren Nachbarn in den Stall geschmuggelt.«
»Ist nicht wahr!«, kam es von mir.
»Doch, ist wahr. Bei Nacht und Nebel habe ich das neue Kaninchen zu dem verbliebenen zweiten in den Stall gesetzt. Ich kann euch sagen, ich hatte echt Schiss, dabei von unseren Nachbarn erwischt zu werden.«
»Bist du aufgeflogen?«, wollte Natascha wissen.
»Nein. Aber dann passierte das Unglaubliche! Am nächsten Morgen stand Gerlind bei mir vor der Tür. Kreidebleich, fix und fertig mit den Nerven. Als ich sie fragte, was los sei, hat sie mir erzählt, dass sie gerade total von der Rolle sei. Ihr Kaninchen Muckel hätte vorgestern tot im Stall gelegen, und Georg, ihr Mann, hätte es im Garten vergraben. Und als sie eben dem anderen Tier etwas Futter in den Stall stellen wollte – da saß Muckel quietschvergnügt vor ihr. Sie hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Mir war in dem Moment natürlich sofort klar, was in Wahrheit passiert war: Der Dackel von Thomas hat das Kaninchen nicht gerissen – er hat es ausgebuddelt! Und Gerlind, das ist sowieso so ein dürres, aufgeschrecktes Ding, machte einen Riesenaufstand, es sei ein Pfingstwunder, sie würde sofort die Presse benachrichtigen, Norderstedt – ausgerechnet Norderstedt! – würde ein Wallfahrtsort werden …«
»Was für eine unglaubliche Geschichte!«, ruft David nun zum ungefähr zehnten Mal aus und kann sich immer noch nicht wieder beruhigen; er hat Lachtränen in den Augen. »Danke, Hilde«, prustet er, »dass du diese Anekdote mit uns geteilt hast!«
»Ja!«, bringe auch ich japsend hervor. »Wenn du uns nicht versichert hättest, dass es wirklich so passiert ist, würde ich das für eine Urban Legend halten. Die Spinne in der Yucca-Palme!«
»Nein«, bestätigt Hilde noch einmal, »es ist wirklich so gewesen, ich schwöre es!«
Nun ist es an ihr, die Flasche kreiseln zu lassen. Sie zeigt – was für eine ausgleichende Gerechtigkeit – auf Tobias, der sich darüber sichtlich freut.
»Okay, Leute«, fängt er an. »Meine peinliche Geschichte ist erst ein paar Tage her.« Er wirft mir einen verschwörerischen Blick zu, den ich im ersten Moment nicht wirklich interpretieren kann. »Und eigentlich hätte ich das nicht erzählt, aber ich denke, das geht in Ordnung. Wie ihr ja vielleicht mitbekommen habt, bin ich mit Natascha zusammen.«
»Das ist wohl nicht zu übersehen!« Mareike lacht. Und nur ich, da bin ich sicher, registriere, dass sie verstohlen zu David rüberlinst, der sie ebenfalls ansieht.
»Genau«, pflichtet Oliver ihr bei, »ihr zwei seid ja schon hart an der Grenze zur Erregung öffentlichen Ärgernisses!«
»Neulich Nacht«, spricht Tobias weiter, »da wollte ich mal was ganz besonders
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