Wunschkonzert: Roman (German Edition)
frage ich trotzdem noch einmal nach und möchte gar nicht wissen, wie blöd ich vermutlich gerade aus der Wäsche gucke.
»Ja«, antwortet mein neuer Kollege. »Du hast doch sicher eine, oder?«
»Nein!«, gebe ich heftiger zurück, als ich will. »Natürlich nicht! Ich dachte, du nimmst mich mit.«
»Mache ich ja auch.« Er sieht immer noch aus, als könne er kein Wässerchen trüben.
»Und da bist du nicht auf die Idee gekommen, dass es ein geradezu revolutionärer Ansatz wäre, auch eine Karte für mich zu haben?«
»Ach so, ich hatte jetzt natürlich gedacht, weil du doch bei Elb Records …« Martins Lächeln verschwindet, und er kratzt sich etwas ratlos am Kopf. Der Einzige von uns dreien, der noch grinst, ist Tim. Der steht neben Martin und mir und beobachtet die Szene sichtlich amüsiert.
»Na ja«, sagt mein schwachsinniger Kollege schließlich unsicher, »ich denke, wir kriegen dich da schon irgendwie rein.«
»Mich
irgendwie reinkriegen?
«, herrsche ich ihn an. »Ich stehe hier in einem goldenen Paillettenkleid und aufgerüscht wie zur Oscarverleihung und soll mich wie ein blödes Groupie da reinschleichen? Ich glaube, du spinnst!«
Ich habe zwar nur eine winzige Handtasche dabei, aber wenn ich weit genug aushole, müsste sie eigentlich die Durchblutung in Martins Kopf deutlich erhöhen können.
»Wartet mal!« Tim verschwindet Richtung Eingang. Martin und ich bleiben schweigend voreinander stehen, und ich weiß nicht, ob ich ihn jetzt weiter anbrüllen oder mir gleich ein Taxi zurück nach Hause nehmen soll.
»Stella, es tut mir leid, ich dachte …«
»Das
Denken
überlässt du besser denen, die es können!«, belle ich ihn regelrecht an, worauf er nichts mehr sagt.
»Problem gelöst«, teilt Tim uns mit, als er kurze Zeit später wieder auftaucht und triumphierend mit einer Einladung in der Hand wedelt, die er mir gibt. »Ich hab dir noch eine besorgt, der Weg ins Vergnügen ist also frei!«
»Puh«, seufzt Martin. »Echt, danke, äh …«
»Gerald.«
»Ja, danke, Gerald.« Martin wirft mir einen auffordernden Blick zu und hält mir tatsächlich den Arm so hin, dass ich mich bei ihm unterhaken könnte. »Dann können wir jetzt ja reingehen.«
In Anbetracht der Unverfrorenheit, die mein Kollege gerade an den Tag legt, bleibt mir fast die Luft weg. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie Tim mich beobachtet und dabei leicht angespannt wirkt. Ich hole tief Luft, gehe einen Schritt auf ihn zu und hake mich bei ihm unter.
»Komm, Gerald«, sage ich und werfe Martin Stichler einen vernichtenden Blick zu. »Ich habe soeben meine Begleitung für den heutigen Abend ausgewechselt.« Mit diesen Worten zerre ich Tim nahezu hinter mir her auf den Eingang zu. Martin Stichler bleibt wie ein begossener Pudel zurück. Geschieht ihm recht!
Was sollte das eigentlich werden? Wollte der mich etwa vorführen – oder ist der wirklich so bescheuert?
In mir schäumt die Wut wie ein Tsunami, dabei hatte ich mich auf einen netten und entspannten Abend gefreut. Jetzt komme ich mir einfach nur dämlich vor. Was hat Miriam mir empfohlen? Im Zweifel was trinken! In der Lobby reiße ich der ersten Kellnerin, die mir begegnet, derart energisch ein Sektglas vom Tablett, dass der Rest beinahe zu Boden geht. Mit einem einzigen Zug kippe ich das Getränk hinunter.
»Geht’s dir jetzt besser?«, will Tim amüsiert wissen.
»Ja«, erwidere ich. »Viel besser.« Peinlicherweise muss ich kurz aufstoßen, weil ich das Kribbelwasser so schnell gekippt habe, aber Tim ist so galant, den kleinen Rülpser komplett zu ignorieren.
»Na, dann kann’s doch jetzt ein schöner Abend werden«, meint er. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Martin Stichler ebenfalls die Lobby betritt. Ich winke die Kellnerin noch einmal zu uns heran.
»Worauf du wetten kannst!«
Und es wird ein schöner Abend. Genau genommen schöner als geplant, denn nachdem mein Ärger über Martin verraucht ist, unterhalte ich mich bestens mit Tim. Nach dem dritten Glas Sekt lachen wir uns gemeinsam über die teils illustren Gäste der Veranstaltung schlapp, nach dem vierten flirte ich ihn schamlos an (vor allem, wenn Martin gerade in Sichtweite ist), und nach dem fünften stehen wir knutschend an der Bar, während wir von der ohrenbetäubenden Live-Band, die auf der Bühne rumtobt, noch mehr in Stimmung gebracht werden. Wobei das nicht nötig wäre, denn ich bin schon ziemlich in Fahrt. Mein Kopf ist viel zu benebelt, als dass ich mich selbst daran
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