Wunschkonzert: Roman (German Edition)
können dich begleiten.«
Ehe Tim oder ich noch etwas dazu sagen können, hat das kleine Energiebündel ihn bereits mit sich davongezerrt. Ich sehe ihnen nach, wie sie zur Bühne gehen. Scooby-doo … äh … Lucy-Lou winkt den Leadgitarristen zu sich heran, er beugt sich zu ihr, sie flüstert ihm etwas ins Ohr, und er nickt.
Wenige Augenblicke später kündigt er über sein Mikro an: »Hey, Leute, wir haben einen Special Guest hier! Begrüßt mit mir Tim Lievers von den Reeperbahnjungs, der euch jetzt mal ordentlich was auf die Ohren gibt!« Im Saal erklingt lauter Applaus, Tim steigt auf die Bühne, nimmt die Gitarre von Stellas Freund entgegen, hängt sie sich um und legt los. Keyboard und Schlagzeug setzen ein, Tim greift in die Saiten. Ich erkenne den Song:
20 000 Mann,
eine mitreißende Up-Tempo-Nummer. Und während ich an der Bar stehe, mir noch einen Drink ordere und zusehe, wie Tim auf der Bühne die Massen zum Toben bringt, empfinde ich plötzlich so etwas wie – Stolz?
Okay, ich bin besoffen, aber trotzdem!
Als Tim zum Refrain kommt, sieht er direkt zu mir hinüber. Und zum Stolz gesellen sich jetzt auch noch Schmetterlinge im Bauch.
20.000 Mann (00:30)
Audio: 20.000 Mann (00:30)
20 000 Mann
können mich nicht von dir trennen
20 000 Mann
sind zu schwach, um zu erkennen,
dass es Dinge gibt, die man nie besiegt
nicht mit 20 000 Mann,
dass es Grenzen gibt, die man mal verschiebt,
doch nicht überwinden kann.
Tosender Applaus brandet auf, nachdem die letzten Takte verklungen sind. Tim verbeugt sich grinsend, gibt dann die Gitarre zurück und hüpft leichtfüßig von der Bühne. Ich genieße die bewundernden – und auch etwas neidischen – Blicke der anwesenden Frauen, als er strahlend direkt auf mich zugeht.
»Das war echt toll!«, rufe ich, falle ihm um den Hals und gebe ihm ein Küsschen auf den Mund.
»Danke«, sagt er und küsst mich zurück. Und schon sind wir in die nächste wilde Knutscherei verwickelt, bestimmt zehn Minuten lang tun wir nichts anderes, als uns zu küssen und uns in den Armen zu liegen.
Nach einer gefühlten, aber wunderschönen Ewigkeit mache ich mich von Tim los. Einen Moment lang gucken wir uns einfach nur so an, dann bricht er das Schweigen und räuspert sich. »Sollen wir jetzt noch woanders hingehen?«, will er wissen. »Wo wir vielleicht ein bisschen mehr unter uns sind?«
Die kleinen rosaroten Engelchen, die gerade noch um meinen Kopf geflogen sind, werfen ihre Harfen beiseite und brüllen durch winzige goldene Megaphone: DANGER ! DANGER ! DANGER !
»Aber es ist doch schon so spät«, bringe ich unter Aufwendung meiner gesamten Willenskraft hervor. Denn auch wenn ich das hier noch stundenlang machen könnte, flüstert mir das kleine bisschen Restvernunft in mir zu, dass es zum einen jetzt gut ist und ich zum anderen morgen früh halbwegs fit sein muss. Schließlich geht’s um neun Uhr los auf Klassenfahrt, da kann ich schlecht komplett derangiert und mit einer Fahne aufkreuzen. »Ich muss jetzt auch wirklich los.«
»Darf ich dich denn wenigstens noch nach Hause bringen?«
»Das ist doch echt nicht nötig …«
»Ach, komm«, bettelt Tim. Dabei knabbert er mir am Ohrläppchen – und es ist um mich geschehen.
»Gut«, willige ich ein. »Aber nur bissur Haustür.« Wir lösen uns voneinander und gehen händchenhaltend durch den Saal Richtung Ausgang. Ich fühle mich wie auf Wolken. Durch die gläserne Drehtür verlassen wir das Hotel Atlantic; es würde mich nicht wundern, wenn dort irgendein Volk warten würde, das begeistert Fähnchen schwenkt und Tim und mich wie Könige begrüßt …
Und dann passiert etwas Seltsames: Draußen vor der Tür knicken mir auf einmal ganz unroyal die Knie weg, und es wird mit einem Schlag dunkel um mich.
Klarer Fall von Sauerstoffschock.
7. Kapitel
I ch wache auf, weil ich mich irgendwie eingeengt fühle. Wie in einem Schraubstock, ich kriege kaum Luft. Irritiert schlage ich die Augen auf und will mich mühsam aufsetzen, aber irgendetwas hält mich zurück – und es ist nicht das Dröhnen und Pochen hinter meinen Schläfen. Mit einem unwilligen Laut drehe ich den Kopf zur Seite, um zu sehen, was eigentlich los ist – und erstarre.
Tim!
Direkt hinter mir im Bett!
Nur mit Boxershorts bekleidet!
Er hat einen Arm fest um meine Taille geschlungen, was meine Bewegungsunfähigkeit erklärt.
Auweia!
Ich greife nach seinem Arm und schiebe ihn mit aller Kraft von mir runter, woraufhin Tim sich
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