Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Ausziehen zu machen, wenn es so weit ist. Heute will ich endlich mal ein kleiner Rauschgoldengel sein, so schnell kommt sicher keine neue Gelegenheit dazu. Und das mit dem Anziehen ist ja auch leicht gelöst: Frau Pollke ist schließlich immer zu Hause. Ich öffne die Wohnungstür, luge vorsichtig in den Flur und laufe dann mit schnellen Schritten rüber zu meiner Nachbarin, um sie zu bitten, mir den Reißverschluss zuzumachen.
Ich klingele und lausche.
Ich klingele und lausche noch mal.
Okay, Frau Pollke ist
nicht
immer zu Hause.
Ich versuch es eine Tür weiter bei den WG -Mädels. Ebenfalls Fehlanzeige.
So ein Mist!
Stattdessen ertönt dafür ein Klingeln aus meiner Wohnung, irgendjemand scheint unten vor der Tür zu stehen. Miriam! Sie ist eigentlich die Einzige, die sich schon immer darüber hinweggesetzt hat, dass ich Spontanbesuche nicht mag. Jetzt allerdings kommt sie wie gerufen! Ich hechte zurück und drücke den Knopf der Gegensprechanlage.
»Miri?«, rufe ich.
»Hi!«, erklingt es knisternd. »Ich bin’s, Tim.«
»Wer?«, frage ich irritiert und könnte mir sofort vor den Kopf schlagen. Das habe ich jetzt nicht wirklich gefragt, oder?
»Tim Lievers?«, kommt es entsprechend irritiert aus der Gegensprechanlage.
»Was machst du denn hier?«
»Ich wollte dich nicht stören und nur was in den Briefkasten werfen, aber von deinen Nachbarn macht keiner auf.«
»Hab ich auch schon gemerkt.«
»Wie bitte?«
»Ach, egal, warte mal.« Ich drücke den Summer. Eine Minute später ruft Tim von unten durchs Treppenhaus: »Soll ich’s bei dir in den Kasten stecken?«
Ich überlege kurz. »Nee, komm mal hoch!« Ist zwar nicht Miriam, aber was soll’s? Bin ja schließlich nicht nackt oder so.
»Hi, Stella«, begrüßt er mich, als er wenige Augenblicke später vor meiner Tür steht. Dicht gefolgt von einem
»Wow!
Hast du was vor?«
Ich nicke und bedeute ihm, reinzukommen. »Du könntest mir mal kurz helfen«, bitte ich ihn, nachdem ich die Tür geschlossen habe, und wende ihm meinen Rücken zu. »Ich krieg den Reißverschluss allein nicht zu.«
»Kein Problem«, erwidert Tim, und obwohl er hinter mir steht, kann ich sein breites Grinsen nahezu hören. Ich spüre den sanften Druck seiner Finger, vernehme ein leises Ratschen und dann ein: »Voilá, erledigt.«
Ich drehe mich zu ihm um. »Danke, du bist genau zur richtigen Zeit aufgetaucht.«
»Offenbar hat mir mein siebter Sinn geflüstert, dass hier eine halbnackte Frau in einer verzweifelten Situation steckt und dringend gerettet werden muss.«
»Na, na«, erwidere ich und drohe ihm mit einem Zeigefinger. »Halbnackt ist ja wohl mehr als übertrieben.« Dann fällt mir etwas anderes ein. »Was wolltest du mir denn einwerfen?«
Er hält mir eine CD -Hülle hin. »Hab noch was komponiert«, erklärt er. »Bisher noch ohne Text, aber ich dachte, du willst es dir vielleicht anhören.«
»Klar. Nur jetzt ist es gerade schlecht, ich muss gleich los.«
»Wo geht’s denn hin?«, will Tim wissen.
»Och, nichts Besonderes«, spiele ich meine Aufregung herunter, »ich gehe zu
Kino trifft Pop.
«
»Echt? Da will ich auch gleich hin! Sollen wir zusammen fahren?«
»Du gehst da auch hin?« Moment mal, wieso hat Tim eine Einladung und ich nicht? Der ist doch noch gar kein Star! Na gut, ich auch nicht, aber ich bin immerhin Senior A&R eines Labels.
»Einer der Veranstalter ist ein alter Schulfreund von mir«, erklärt er.
»Ach so, verstehe. Ja, klar, lass uns gerne zusammen fahren. Ich brauche aber noch einen Moment, bis ich fertig bin. Kannst du so lange warten?«
»Sicher.«
Ich dirigiere ihn in mein Wohnzimmer. »Mach’s dir bequem.«
»Wanderst du aus?«, will Tim überrascht wissen, denn direkt neben der Couch stehen die zwei großen Koffer, die ich schon für die Lüneburger Heide gepackt habe.
»Nein, keine Sorge«, antworte ich. »Ich fahre morgen für eine Woche weg.«
»Urlaub?«
»Nicht ganz.«
»Sondern?«
Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und erwidere ausweichend: »Ich muss mich jetzt echt fertig machen, sonst kommen wir zu spät.«
»Okay.« Er zeigt auf den CD -Player, der neben meinem Fernseher steht. »Darf ich?«
»Klar«, meine ich und muss dabei in mich hineinlächeln. Diese Künstler! Wollen ihre Babys immer sofort stolz präsentieren.
Als ich im Badezimmer vorm Spiegel stehe und mein Make-up auftrage, erklingt aus dem Wohnzimmer Musik. Klavier, langsame Streicher, nach einer Weile setzen zurückgenommen Schlagzeug
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