Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Situation kann ich wahrlich keine weitere Baustelle gebrauchen! Erst einmal muss sich meine Jobsituation geklärt haben.
»Weißt du, Tim«, setze ich an, »ich bin im Moment … Ich kann …« Mist, es ist echt schwierig, die richtigen Worte zu finden. »Also, ich habe im Moment einfach nicht den Kopf für so etwas frei und will mich einfach auf nichts einlassen.«
Einen Augenblick lang betrachtet er mich nachdenklich und zögernd. Dann lässt er mein Kinn wieder los, zuckt mit den Schultern, steht auf und fängt an, sich anzuziehen.
»Sei bitte nicht sauer auf mich«, sage ich.
»Ich bin nicht sauer«, gibt er zurück. »Ich wundere mich nur. Gestern, als du einen im Tee hattest, habe ich ganz deutlich gespürt, wie gern du mich hast.« Er zieht sich sein Shirt über den Kopf und fixiert mich dann regelrecht mit seinen großen braunen Augen. »Und du weißt ja, wie das ist, die Sache mit den Kindern und den Betrunkenen, die immer die Wahrheit sagen. Aber wenn du das heute anders als gestern siehst, respektiere ich das natürlich, und wir haben ab sofort wieder ein rein berufliches Verhältnis miteinander.«
Ich seufze, teils aus Erleichterung, teils, weil mir die Situation so wahnsinnig unangenehm ist.
»Ich denke, das wird in jedem Fall das Beste sein.«
»Tja, dann«, Tim schlägt sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel, »werde ich mal gehen und an dem Text für meinen neuen Song arbeiten.«
»Okay«, sage ich und fühle mich regelrecht zerknirscht. »Ende nächster Woche bin ich wieder in Hamburg, dann hören wir voneinander, und ich bin schon gespannt auf die neue Version.«
Tim nickt mir noch einmal zu, dann marschiert er aus dem Schlafzimmer.
»Äh, Tim!«, rufe ich ihm hinterher, als er schon fast draußen ist.
»Ja?« Er dreht sich zu mir um.
»Könntest du mir … Würdest du mir bitte noch den Reißverschluss meines Kleids öffnen?« Ja, es ist mir ganz schön peinlich, dass ich ihn darum bitten muss. Deswegen versuche ich, einen kleinen Scherz hinterherzuschieben: »Rein beruflich, meine ich.«
Er sieht nicht so aus, als würde er sich in absehbarer Zeit vor Lachen schütteln wollen. Aber immerhin, er kommt zurück, zieht mit einem
Ratsch
den Zipper runter, und einen Augenblick später fällt die Haustür hinter ihm mit einem lauten Knall ins Schloss.
Erschöpft lasse ich mich noch einmal aufs Bett sinken und stoße einen lauten Seufzer aus. Wie hatte mir das nur passieren können?
Zehn Sekunden später setze ich mich ruckartig wieder auf – keine gute Idee, sofort spüre ich einen stechenden Schmerz im Kopf, da miaut noch ein amtlicher Kater –, denn mir wird klar, dass ich mich jetzt echt beeilen muss. In eineinhalb Stunden muss ich bei World Music sein, also keine Zeit, um zu lamentieren! Jetzt schnell unter die Dusche, fertig machen, Sachen schnappen und los!
»… und du rufst mich jeden Tag an, hörst du, Stella?« Auf der Fahrt zu World Music habe ich Mama an der Strippe, die wie manisch auf mich einredet und mir letzte Instruktionen erteilt. »Und wenn du mich vor Ort brauchst, sagst du es mir bitte, ich komme dann sofort dahin.«
»Ja, Mama«, antworte ich. »Ich rufe dich an, aber dein Erscheinen wird wirklich nicht nötig sein.«
»Das kannst du doch jetzt noch nicht wissen!«, ruft sie empört aus.
»Nein, natürlich nicht«, gebe ich ihr recht. Und denke gleichzeitig:
Aber selbstverständlich weiß ich das! Fehlte mir noch, dass meine Mutter die gesamte Truppe tyrannisiert.
»Und pass vor allem bei diesem Martin Stichler auf!« Mama betont das Wort
diesem
so, als handele es sich um Satan höchstpersönlich. »Ich sage dir, der führt nichts Gutes im Schilde, das habe ich von Anfang an gewusst.«
Leider habe ich vor ein paar Tagen den Fehler begangen, Mama zu erzählen, dass Martin doch ganz nett ist und mich sogar zu einem tollen Event eingeladen hat. Als sie mich vorhin über Handy im Auto erwischte, musste ich dann leider zugeben, dass ich mit meiner Einschätzung wohl falschlag, und ihr vom gestrigen Abend erzählen.
Die Episode mit Tim habe ich dabei selbstredend verschwiegen, Mama wäre ausgeflippt. Vermutlich irgendwas in der Richtung, ob ich eigentlich wahnsinnig sei und dass dieser Martin das doch bestimmt mitbekommen hat und mich sicher bei David Dressler anschwärzen wird und überhaupt. Nein danke, mir dröhnt ja schon jetzt der Kopf bei ihren Vorhaltungen. Was aber auch daran liegt, da will ich nicht unfair sein, dass ich ziemlich platt und
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