Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Reihe und gebe ein »Geht so« zurück.
»Guck mal!«, fordert er mich auf, nimmt seinen Rucksack und hält ihn mir hin, damit ich einen Blick hineinwerfen kann. Ich sehe eine Flasche Campari. »Dann können wir uns auf der Fahrt schon mal schön einen genehmigen!«
Ich seufze und schüttele den Kopf. Wie kann es nur sein, dass Tobias noch so ein
Kind
ist!
»Ich glaube, das lassen wir lieber«, stelle ich fest und fühle mich dabei nahezu mütterlich. Tobias macht ein enttäuschtes Gesicht. Tut mir ja auch leid, dass ich ihm kein guter Spielkamerad bin. Aber Job ist Job, und Schnaps ist – na, Schnaps eben!
»Guten Morgen!« Hilde stößt zu uns, fröhlich lächelnd und bestens gelaunt. Scheint den Schock mit dem Umzug und unserer Reise überwunden zu haben. Sie stellt den großen Picknickkorb, den sie unterm Arm klemmen hat, in der Sitzreihe vor uns ab und lässt sich danebenplumpsen. Irre ich mich, oder gerät der gesamte Bus dabei ins Wanken? Hilde ist mit ihren sicher hundert Kilo wahrlich kein Leichtgewicht.
Kaum sitzt sie, fängt sie auch schon an, in ihrem Korb zu wühlen, und holt Sekunden später ein in Aluminiumfolie geschlagenes Päckchen hervor. »Will einer von euch auch ein Salamibrot?«, fragt sie, während sie es knisternd auspackt.
Salamibrot?
Wenn es etwas gibt, was ich absolut hasse, dann sind es Leute, die in der Öffentlichkeit ihre stinkenden Stullen auspacken. Geruchsbelästigung ist das! Ach was, Köperverletzung! In Verbindung mit meinem Kater spüre ich sofort die Übelkeit in mir aufsteigen, als mir der Duft von Hildes schwitzigem Reisesnack in die Nase steigt.
»Sorry«, keuche ich und springe auf. Verwundert sehen mich die anderen an, während ich durch den Gang nach vorn stolpere. Auf dem Weg kommt mir David entgegen, der mittlerweile auch eingestiegen ist.
»Irgendwas nicht in Ordnung?«, will er besorgt wissen, und ich nehme an, dass ich vermutlich schon grün im Gesicht bin.
»Salami«, ist das Einzige, was ich herausbringe, dann quetsche ich mich eilig an ihm vorbei. Ich schaffe es gerade noch, die Bustür zu erreichen, schon ergießt sich ein Schwall Erbrochenes aus meinem Mund auf den Gehsteig. Natascha, die Volontärin, die draußen steht und gerade den Bus entern wollte, springt erschrocken zurück und rümpft angeekelt die Nase.
»Tut mir echt leid«, ächze ich zwischen zwei Würgekrämpfen. Bloß gut, dass ich heute noch nichts gefrühstückt habe, so spucke ich im Wesentlichen nur Galle aus. Trotzdem peinlich genug, denn natürlich bin ich mit dieser Aktion hier schlagartig im Mittelpunkt des Interesses. Und das leider auf eine Art und Weise, wie ich sie nicht gerade für ideal halte.
Ein paar Mal würge ich noch, dann hat sich mein Magen einigermaßen beruhigt. Ich atme tief durch und drehe mich zitternd um.
Martin Stichler lächelt süffisant und hält mir ein kleines Päckchen hin. »Kaugummi?«, fragt er scheinheilig. Am liebsten würde ich ihn zum Teufel jagen. Aber da ich selbst keine dabeihabe und auch keine Zahnbürste griffbereit, reiße ich ihm die Packung mit einem bellenden »Danke!« aus der Hand.
Als ich wieder ein paar Reihen nach hinten gehe – ich sehe, dass Hilde ihre Stulle weggepackt hat und mir einen betretenen Blick zuwirft –, komme ich wieder an David vorbei. Er mustert mich nachdenklich, und ich gehe davon aus, dass er jetzt vermutet, ich hätte mich gestern furchtbar besoffen. Somit kann ich das Sternchen auf der Pluspunktliste vermutlich streichen. Geht ja gut los.
Ach, scheiß drauf, Stella,
sage ich mir selbst,
lass ihn glauben, was er will!
Und erstaunlicherweise fühlt sich der Gedanke nicht bedrohlich, sondern fast gut an.
»So, da wären wir!« Ich muss eingepennt sein, denn irgendwann reißt mich David Dresslers Stimme aus dem Schlaf. Verwirrt blicke ich auf und wische mir mit dem Handrücken verstohlen ein bisschen Spucke weg, die mir aus dem Mundwinkel getropft sein muss. Hoffentlich hat das keiner gesehen! Immerhin: Die Kopfschmerzen haben sich zu einem beständigen, aber erträglichen Brummen abgeschwächt.
Ich schaue rechts neben mir aus dem Fenster. Unser Bus parkt direkt neben einem Waldstück. Wird das am Ende tatsächlich ein richtiges Survivalcamp, und wir müssen in der Wildnis übernachten? So mit Holz sammeln, Feuer selbst machen und Tiere jagen? Ach, das ist ja Unsinn, mir gehen mal wieder Nerven und Phantasie durch!
»Wir sind hier«, erzählt David – und jetzt verstehe ich auch, weshalb er so
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