Wunschkonzert: Roman (German Edition)
ganz so gut ankommt, wenn ich jetzt lospöbele, dass das ja wohl eine absolute
Frechheit
ist und
gar nicht
geht. Aber es fällt mir wirklich schwer, mich zusammenzureißen. Die Kopfschmerzen, die ausgefallene Nachtruhe, das alles zerrt gerade ziemlich an mir.
»Äh, wo ist denn das Badezimmer?«, will Hilde mit gerunzelter Stirn wissen. »Ich seh da gar keine weitere Tür.«
»Die Waschräume sind am Ende des Ganges«, teilt ihr Renate Becker mit und fügt mit einem tadelnden Seitenblick auf Tobias hinzu: »Genau wie die Zimmer nach Männern und Frauen unterteilt. Da gibt es jeweils zwei Duschen, drei Toiletten und einen langen Waschtresen. Am besten machen Sie sich morgens in zwei Schichten fertig. Sprechen Sie sich einfach ab, Sie sind ja nicht so viele.«
»Das reicht!«, entfährt es mir wütend, ohne dass ich es verhindern kann. Ich fahre zu David Dressler herum und werfe ihm einen bösen Blick zu. »Du willst uns hier doch wohl auf den Arm nehmen, oder?«
»Wie bitte?« Er guckt mich verständnislos an.
»Ich frage mich, was das hier werden soll!«, blöke ich ihn an. »Willst du uns so auf elegante Art und Weise dazu bringen, dass wir gleich von selbst kündigen?«
»Äh, nein, ich …«, gibt er zurück und wirkt dabei wirklich, als hätte er keine Ahnung, was hier gerade das Problem ist.
»Nicht nur, dass wir alle von heute auf morgen mit der Tatsache konfrontiert werden, dass wir nicht mehr Elb Records oder World Music, sondern World Records sind. Nein, wir werden von dir auch noch in die Pampa geschleppt und müssen zusammengepfercht wie die Teenager in Zimmern mit Stockbetten hausen? Mit Gemeinschaftswaschräumen und abgesprochenen Klozeiten!
TICKST
du noch ganz richtig?«
Die Worte verlassen einfach so meinen Mund, auch wenn mein Verstand permanent versucht, mir zu melden, dass ich mir hier gerade mein eigenes Grab schaufele. Ich kann einfach nicht anders, es platzt nur so aus mir heraus.
»
Teambuilding
nennst du das? Ha, dass ich nicht lache! Das ist einfach nur eine demütigende Strafexpedition!«
»Stella, glaub mir, du wirst sehen, wie viel Spaß uns das allen machen wird«, versucht David, mich zu beruhigen. »Und ich will euch sicher nicht demütigen, wobei gerade dir etwas – um es mal mit deinen Worten zu sagen – jugendliche Lockerheit ganz guttun würde. Du wirst sehen, das wird so schön wie früher im Pfadfindercamp! Oder wie Tobias schon sagte, wie bei Klassenfahrten!«
»Ich
hasse
die Pfadfinder!«, schleudere ich ihm entgegen. »Die habe ich schon als kleines Mädchen nicht ausstehen können. Genauso wenig wie jede andere Form der gruppendynamischen Veranstaltung. Ich will auch nicht mit einer Klampfe ums Lagerfeuer sitzen, Lieder aus der
Mundorgel
singen, Würstchen und Marshmallows auf langen Stöcken grillen und dabei über mein Leben reden. Ich will auch nicht zum Kirchentag fahren und mich da zusammen mit anderen Leuten bei den Händen fassen, überhaupt will ich
niemanden
bei den Händen fassen und auch
niemanden
im selben Bett liegen haben! Ich will einfach nur einen guten Job und tolle Musik machen! Und auf alle Fälle will ich ein eigenes Zimmer mit einem Bad für mich allein. Ich bin nämlich
ERWACHSEN
und brauche meine
PRIVATSPHÄRE
!
« Den letzten Satz schreie ich regelrecht heraus, und zwar heulend, denn mittlerweile kann ich auch die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die anderen sind immer noch mucksmäuschenstill. Allen voran David, den mein Ausbruch nun doch zum Schweigen gebracht hat.
Schwer atmend stehe ich vor meinen alten, neuen und vermutlich demnächst allesamt Ex-Kollegen, und mir ist schwindelig. Sie starren mich wortlos an, als sei ich eine exotische Tierform, die sie noch nie gesehen haben, selbst Tobias wirkt geschockt. Einen Moment lang starre ich einfach nur zurück – und dann, ganz langsam, schnappe ich mir meine zwei Köfferchen, drehe mich wie in Zeitlupe um und marschiere hocherhobenen Hauptes den Gang hinunter Richtung Treppe. Der geordnete Rückzug ist angesichts der Lage wohl das Einzige, was mir bleibt.
Zwei Minuten später stehe ich vor dem
Haus der Begegnung.
Und bin einigermaßen ratlos. Was habe ich da eben nur gemacht? Aber ich konnte nichts dagegen tun, es ist einfach so aus mir herausgebrochen. Wie bei einem Vulkan, unter dessen Oberfläche es lange brodelt, bis er sich in einer gewaltigen Eruption entlädt und dann wochenlang den europäischen Flugverkehr lahmlegt.
Tja, es sieht so aus, als hätte ich mich gerade
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