Wunschkonzert: Roman (German Edition)
aufteilen, an jedem Ihrer sieben Aufenthaltstage übernimmt dann jeweils eine Gruppe den Dienst in der Küche. Mittagessen gibt es hier um zwölf, Abendbrot um sechs.«
Jetzt wandert mein Blick zu David Dressler. Und der wirkt, als müsste er ebenfalls gleich künstlich beatmet werden – allerdings nicht vor lauter Schreck, sondern weil er ganz offensichtlich so dermaßen krampfhaft und angestrengt ein Lachen unterdrücken muss, dass er schon ganz rot angelaufen ist. Was für ein Sadist ist der nur? Hat Martin nicht behauptet, David sei sehr nett? Dann möchte ich nicht wissen, auf was für Ideen er kommt, wenn er mal gemein wird!
»Am letzten Tag Ihres Aufenthaltes werden Sie sich alle an der Endreinigung beteiligen«, fährt unsere Herbergsmutter fort. Okay, mit Putzen habe ich kein Problem. Allerdings nur, was meinen eigenen Dreck betrifft, mit Sicherheit werde ich keinem anderen hinterherräumen. »Und die letzte Regel, dass ab zehn Uhr Nachtruhe herrschen sollte, gilt für Sie nicht. Schließlich sind Sie ja alle erwachsen, und wir haben derzeit keine Schüler im Haus.«
»Wenigstens etwas«, zischt Oliver mir zu. »Wir dürfen bis halb elf wach bleiben.«
»Ach so, ja«, fügt Renate Becker noch hinzu, »Tischtennisschläger finden Sie im Aufenthaltsraum in dem großen Schrank, da halten wir auch einige Gesellschaftsspiele und Puzzles parat.« Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich schon mit David Dressler kniffeln oder eine lustige Runde Halma spielen. »Dort steht auch der Gemeinschaftsfernseher. Haben Sie sonst noch Fragen?« Sie blickt auffordernd in die Runde, aber uns hat es allen irgendwie die Sprache verschlagen. »Tja«, sie klatscht vergnügt in die Hände, »dann würde ich vorschlagen, Sie folgen mir alle, damit ich Ihnen Ihre Zimmer zeigen kann.«
»Also, wenn Sie ein Doppelzimmer zu belegen haben«, schaltet sich Tobias ein, »könnte ich mir das gerne mit meiner Kollegin teilen.«
Natascha kichert, haut ihm einen Ellbogen in die Seite und zischt: »Tobi, lass den Quatsch!«
»War immerhin einen Versuch wert!«, gibt er zurück und grinst sie an. Renate Becker geht auf seinen Vorschlag nicht weiter ein, sondern marschiert stattdessen mit energischen Schritten durch die Eingangshalle voran. Ergeben tapern wir hinter ihr her. Und ich kann nichts anderes denken, als dass das hier der absolute Alptraum ist.
Im hinteren Bereich der Herberge gehen wir eine Treppe hoch und landen dort in einem langen Flur, von dem links und rechts mehrere Zimmer abgehen. Vor dem ersten bleiben wir stehen,
Schwalbennest
steht in Schreibschrift auf der Tür. Renate Becker kramt einen Zettel aus ihrer Kittelschürze, dicht gefolgt von einer Lesebrille, die sie aufsetzt.
»Mal sehen«, meint sie und studiert die Liste. »Also, das Schwalbennest ist für … Stella Wundermann.«
Okay,
denke ich,
Schwalbennest, warum nicht?
Vielleicht sieht es hinter der Tür ja ganz gemütlich und muggelig aus? Der Name klingt jedenfalls nach ländlicher Romantik.
»Und dann noch Hilde Johnsen, Natascha Flick und Jenny Behrens«, fährt Renate Becker fort.
»Wie bitte?«, fragt Jenny, die ich bei unserer Vorstellungsrunde kurz als achtundzwanzigjährige Vertriebsfrau von World Music kennengelernt habe. »Wir müssen uns die Zimmer teilen? Zu viert?«
»Keine Sorge«, erklärt unsere Gastgeberin in beruhigendem Tonfall. »Die Räume sind sehr großzügig geschnitten.« Mit diesen Worten drückt sie die Klinke hinunter und lässt die Tür nach innen aufschwingen. Bei dem Anblick, der sich mir bietet, wird mir schwindelig. Ja, das Zimmer ist groß, sicher dreißig Quadratmeter. Und ganz gemütlich wirkt es auch, mit großen Fenstern, aus denen man Ausblick auf eine Wiese hinter dem Haus hat. Ich hatte nicht mit einer Suite und Kristalllüstern gerechnet, und wir hätten es schlimmer treffen können. Aber die Vorstellung, sieben Tage – wenn auch nur sechs Nächte – mit drei anderen Personen in einem Zimmer zu verbringen, die ist mir wirklich hochgradig unangenehm. Und was mich dann endgültig an den Rand des Herzinfarkts bringt, sind die beiden Stockbetten.
STOCKBETTEN!
So richtig mit Leiter dran, in denen einer oben und einer unten schläft. Ich bin doch nicht mehr acht! Am liebsten würde ich jetzt lauthals protestieren, aber ich halte mich zurück, weil David Dressler direkt neben mir steht. Und da er ja mehrfach betont hat, wie wichtig es ihm ist, dass wir ein »Team« werden, könnte ich mir vorstellen, dass es nicht
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