Wunschkonzert: Roman (German Edition)
sofort in Champagner und Geld badet. Wenn die wüssten! Denn so ist es schon lange nicht mehr. Seit die Musikindustrie vor einigen Jahren ziemlich zusammengebrochen ist, können nur noch die wenigsten Künstler ausschließlich davon leben. Und das auch nicht durch den Verkauf von Alben, sondern durch Auftritte bei Konzerten. So manche Nachwuchsband hat schon große Augen gemacht, nachdem ich ihnen erklärt habe, wie der Hase heutzutage läuft. Und nicht wenige haben daraufhin beschlossen, die Musik lieber als Hobby zu betreiben und sich ansonsten einen »richtigen« Job zu suchen.
Während ich darüber sinniere, wie sich die Branche in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, habe ich auf einmal einen Geistesblitz.
Das ist es!
»Das ist der Tobi«,
erklingt Olivers gleichtönende Stimme. »
Der Tobi möchte Rockstar werden. Dafür hat der Tobi vor zwei Jahren mit seinen Freunden eine Band gegründet und seitdem ganz, ganz viele Songs geschrieben. Als der Tobi und seine Band der Meinung waren, die Lieder seien nun gut genug, um sich damit bei einer Plattenfirma zu bewerben, hat der Tobi mit seinen Kumpels im Übungsraum eine Demo-
CD
aufgenommen. Mit dieser
CD
geht der Tobi jetzt zu einer Plattenfirma.
«
Wir sitzen alle zusammen im Aufenthaltsraum und gucken uns die Ergebnisse unserer Dreharbeiten an. Mein Team darf als Erstes seinen Film präsentieren. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich stolz auf uns bin, denn wir haben am Ende etwas wirklich Nettes hinbekommen. Eine Art Infofilm für aufstrebende Musiker, erzählt wie bei der
Sendung mit der Maus.
Tobias spielt den hoffnungsvollen Jungstar, der die verschiedenen Stufen auf dem Weg vom Proberaum über Plattenvertrag bis hin zur Weltkarriere erlebt.
Als ich gestern nach der Mittagspause mit dem Vorschlag zurückkam, waren sofort alle Feuer und Flamme und haben voller Begeisterung mitgemacht. Die Idee dazu kam mir nach Tims Mailboxansage, in Kombination mit meinem »Wer nicht fragt, bleibt dumm«-Gedanken. Okay, das ist
Sesamstraße
und nicht
Sendung mit der Maus,
aber da will ich jetzt nicht päpstlicher als der Papst sein. In jedem Fall wurde mein Vorschlag einstimmig angenommen, was mich total gefreut hat.
War auch gar nicht so schwierig, den Film zu drehen, zumal eigentlich nur jeder seine Rolle spielen musste: Ich die A&R-Managerin, die Tobi einen Plattenvertrag gibt, Oliver den Produktmanager, der Tobi betreut, Silke die Vertrieblerin, die dafür zuständig ist, dass Tobis Album in den Handel kommt – und so weiter und so fort. Insgesamt drei Minuten dauert unser Filmchen, und als es zu Ende ist, erhalten wir von den anderen begeisterten Applaus.
»Sehr schön«, meint auch David und klatscht. »Den könnte man so auf unsere Homepage stellen, damit sich Künstler vorab informieren können.« Er nickt anerkennend. »Das habt ihr wirklich gut hinbekommen.« Wieder wird geklatscht, und ich freue mir ein kleines Loch in den Bauch. Mag ja sein, dass die anderen mich manchmal ein bisschen bossy finden – aber am Ende ist es schließlich das Ergebnis, das zählt, und da kann sich mein Team nicht beschweren.
Im Geiste schicke ich ein kleines Dankeschön an Tim Lievers, ohne seinen witzigen Mailboxspruch wäre mir das wirklich nicht eingefallen. Vielleicht sollte ich später noch einmal versuchen, ihn zu erreichen, damit ich ihm davon erzählen und mich bei ihm richtig bedanken kann? Das würde natürlich bedeuten, dass ich ihm erzähle, was los ist … Aber möglicherweise hat Miriam recht, und ich sollte das eh tun. Ich könnte mir noch einmal von einem meiner Kollegen ein Handy leihen, da meins natürlich wieder komplett tot ist, aber eigentlich finde ich die Idee richtig gut.
»Dann bin ich mal auf das Ergebnis der anderen Gruppe gespannt!«, unterbricht David meine Gedanken. Martin Stichler steht auf, geht zum Videorekorder, holt unsere Kassette raus und steckt die seines Teams rein. Er dreht sich selbstbewusst lächelnd zu uns um.
»Dann schnallt euch mal an!«, fordert er und drückt auf
Play.
Die Titelmelodie einer bekannten Serie erklingt, die ich allerdings zunächst nicht einordnen kann. Auf dem Bildschirm sieht man lediglich einen offenen Fahrstuhl. Den erkenne ich wieder, der befand sich als Attrappe direkt vor Studio 1. Erst, als Martin ins Bild gestolpert kommt und der flackernde Schriftzug
Strammberg
eingeblendet wird, fällt bei mir der Groschen: Das andere Team hat eine Persiflage auf
Stromberg
gedreht!
Und, verdammt, sie ist gut.
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