Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Bis ein Uhr kriegen wir eh nichts Gescheites mehr hin. Um zwei geht’s dann weiter, und ich würde sagen, bis dahin überlegt sich jeder von uns ein Konzept, über das wir dann abstimmen. Okay? Und zwar ein neues, nicht das, was schon auf dem Tisch, aber nicht mehrheitsfähig war.«
»Okay«, willigen meine Teammitglieder ein. Der Kameramann blickt auf, schlägt seine Zeitung zusammen, erhebt sich von seinem Regiestuhl und stellt fest: »Dann braucht ihr mich ja bis zwei Uhr nicht mehr.« Schwups, weg ist er. Hätte sich ja auch mal mit seinem professionellen Know-how einbringen können, finde ich, aber vermutlich nervt es ihn nur, dass er sein Wochenende mit so einem chaotischen Haufen verbringen muss. Dabei kann’s ja nicht so schlecht sein, fürs Im-Regiestuhl-Sitzen und Zeitunglesen bezahlt zu werden.
»Na, wie läuft’s bei euch so?« Ich sitze auf einer der Bierbänke, die das Catering aufgebaut hat, schaufele Fettuccine al Salmone in mich hinein und bin in meine Grübeleien darüber, was wir gleich drehen könnten, vertieft, als David Dressler mit einem Tablett mir gegenüber Platz nimmt. Neben seinem Teller liegt das schwarze Buch, er bewacht es wirklich, als seien es die britischen Kronjuwelen. Seine grünen Augen mustern mich interessiert.
»Gut«, lüge ich dreist, »wir kommen super voran.«
»Was macht ihr denn?«
»Aber, aber, Chef«, gebe ich zurück und lächele ihn kokett an, »das soll doch eine Überraschung werden!« Er grinst.
»Sehr gut, genau so soll es sein!« Dann fängt er an, seine Pasta zu futtern. »Macht dir unser Seminar denn Spaß?«, will er zwischendurch wissen.
»Ja, schon.« Das sage ich natürlich schon allein, weil er der Chef ist. Aber als ich nun in mich hineinhorche, merke ich, dass es teilweise schon der Wahrheit entspricht, zu der aber noch ein Nachsatz gehört: »Auch wenn die Situation natürlich ein bisschen ungewohnt ist.«
Ein nachdenklicher Ausdruck tritt auf Davids Gesicht. »Das verstehe ich«, stimmt er mir zu. »Vor allem für euch bei Elb Records ist das natürlich eine riesige Veränderung.«
»Kann man wohl sagen.« Und dann kann ich nicht verhindern, dass mir meine größte Angst herausrutscht: »Natürlich machen wir uns alle Sorgen, wie es mit uns weitergeht, wenn wir zurück in Hamburg sind.«
»Darüber mach dir jetzt mal keine Gedanken«, meint David beruhigend. »Das Thema steht jetzt einfach noch nicht an, das wird sich erst mit der Zeit zeigen.«
Super, sofort bin ich wieder beunruhigt, denn wenn David sagt, dass das Thema
jetzt
nicht ansteht, wird es vermutlich
irgendwann
sehr wohl anstehen. Als ich gerade fragen will, ob es denn irgendwie denkbar ist, dass World Records in Zukunft mit zwei Senior A&R-Managern arbeiten wird, weil wir ja auch doppelt so viel zu tun haben werden, wird David von Silke gerufen, die zwei Tische weiter sitzt.
»Moment, bin gleich wieder da«, entschuldigt David sich, steht auf, geht rüber zu Silke und nimmt mit dem Rücken zu mir Platz. Mein Blick wandert wie hypnotisiert auf sein Tablett, das noch immer vor mir auf dem Tisch steht. Genauer gesagt auf das schwarze Buch, das auf dem Tablett liegt. Natürlich ist es ein Risiko, ich bin ja hier nicht allein. Aber David sieht jetzt nicht in meine Richtung, die anderen sind alle mit essen beschäftigt und unterhalten sich angeregt miteinander, und wenn ich vielleicht mal ganz kurz und unauffällig … Meine Hand wandert Richtung Buch.
»Na, na, na, Frau Kollegin!« Meine Hand schreckt zurück, weil mir jemand einen Klaps darauf gibt. Senior A&R-Manager Nummer 2 steht mit einem Teller Fettuccine neben mir und lässt sich keine drei Zentimeter von mir entfernt auf die Bank plumpsen. Kurz wackelt sie so sehr, dass ich befürchte, zusammen mit Martin und dem Möbelstück zu Boden zu gehen. »Wer wollte denn da gerade spitzeln?«, fragt er in tadelndem Tonfall.
»Niemand«, gebe ich leicht genervt zurück.
»Sah aber anders aus.«
»Dann hast du dich verguckt.« Martin lacht.
»Und schon ist sie wieder zickig, unsere Frau Wundermann.« Dann beugt er sich noch etwas näher zu mir, wenn das überhaupt noch möglich ist, so dass mir sein Aftershave in die Nase steigt, und raunt mir ins Ohr: »Ganz ehrlich, Stella, ich würde auch zu gern mal einen Blick hineinwerfen und rausfinden, was der große Guru noch so alles mit uns vorhat.« Ich rücke ein Stück von ihm ab, seine Nähe und dieser Duft irritieren mich irgendwie.
»Ich wollte gar nicht gucken«, beharre
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