Wunschkonzert: Roman (German Edition)
ich.
»Klar wolltest du das!«, sagt Martin. Dann senkt er wieder die Stimme. »Und du wärst ja auch schön blöd, wenn du es nicht versuchen würdest. Denn wir sind ja immer auch noch Konkurrenten, daran hat sich nichts geändert … leider.«
Was meint der denn jetzt mit
leider?
Doch bevor ich etwas dazu sagen kann, klingelt sein Handy. Er fummelt es aus seiner Hosentasche und nimmt den Anruf entgegen.
»Martin Stichler?«, höre ich ihn sagen. Ein kurzes Schweigen, dann folgt ein »Nein«. Wieder Schweigen. »Ach so, verstehe … hmmm …« Martin erhebt sich umständlich von der Bank und sagt zu dem Anrufer: »Moment«, entschuldigt sich bei mir mit einem Kopfnicken und marschiert telefonierend davon. Ich betrachte ratlos meine Pasta, irgendwie ist mir gerade der Appetit vergangen. Das schwarze Buch liegt nun wieder unbeobachtet da, aber … Nein, die Gefahr, von David oder einem anderen Kollegen dabei erwischt zu werden, wie ich darin herumstöbere, erscheint mir in dieser Situation viel zu groß. Außerdem habe ich nur noch eine halbe Stunde Zeit, mir etwas für unseren Film zu überlegen, schließlich habe ich David gegenüber behauptet, dass es bei uns super läuft. Wäre mehr als peinlich, wenn unser Team morgen Abend tatsächlich mit leeren Händen beziehungsweise einer leeren Kassette dasteht.
Mama,
fällt es mir da ein.
Ich werde mal Mama fragen, die wollte ich heute ja sowieso noch anrufen.
Und wenn die nichts weiß, hat vielleicht Miriam, bei der ich es auch noch mal versuchen wollte, eine Idee. Ich krame mein Handy aus der Tasche und schalte es ein. Erfreut stelle ich fest, dass ich hier auf dem Studiogelände vollen Empfang habe. Und noch erfreuter teilen mir dreißig Sekunden später diverse Kurznachrichten meiner Mailbox mit, dass nicht nur Mama versucht hat, mich zu erreichen – auch Tim hat offenbar ganze vier Mal angerufen.
Dann ist er also doch nicht mehr sauer oder verstimmt,
denke ich erleichtert.
Oder er will mir mitteilen, dass er seine Band bei einem anderen Label vorgestellt und sofort einen Vertrag bekommen hat,
spukt es mir direkt im Anschluss durch den Kopf. Andererseits ist das Unsinn, denn er sprach ja von World Music – und da wird er derzeit niemanden außer ein paar Umzugsleuten antreffen. Die Info über unsere Fusion ist auch noch nicht publik, also …
Stella!,
ermahne ich mich selbst,
mach dir nicht schon wieder sinnlose Gedanken, sondern ruf ihn einfach zurück! Dann wirst du ja erfahren, was er wollte, und musst hier keine Kaffeesatzleserei veranstalten, die eh zu nichts führt. Hätte, könnte, würde, du bist ja schon wie Mama, frag ihn ganz simpel, worum es geht. Denn wer nicht fragt, bleibt dumm!
Ich bringe meinen Teller weg, sage David Bescheid, dass ich mich wieder an die Arbeit mache, und verziehe mich nach draußen in eine ruhige Ecke. Dann wähle ich zuerst Tims Nummer, weil ich natürlich am neugierigsten darauf bin, was er von mir wollte. Sein Anschluss ist besetzt, also rufe ich Mama an und berichte ihr von der aktuellen Situation.
»Was soll denn das bitte?«, fragt sie, als ich ihr erklärt habe, dass wir heute und morgen einen Film drehen.
»Keine Ahnung«, gebe ich zu. »David Dressler will es uns nicht verraten.«
»Der will euch doch nur Sand in die Augen streuen!«, trompetet sie.
»Sand in die Augen streuen? Häh?«
»Ein Ablenkungsmanöver ist das, nichts weiter!«, erläutert Mama.
»Ablenkungsmanöver? Wovon soll er uns denn ablenken wollen?« Jetzt verstehe ich gleich gar nichts mehr.
»Aber sicher, Kind!«, regt sie sich auf. »Er hält euch beschäftigt und kann so in aller Ruhe überlegen, wen von euch er rausschmeißt und wen nicht. Ein anderes Motiv kann ich hinter diesem ganzen Unfug nicht erkennen. Es ist doch ganz offensichtlich so, dass …«
»Äh, Mama?«, würge ich sie ab. »Tut mir leid, ich muss schon wieder auflegen, die anderen rufen nach mir.« Ehe sie widersprechen kann, drücke ich sie weg. Ich atme einmal tief ein und aus. Nein, das kann und will ich mir jetzt nicht geben, gerade erst habe ich mit Mühe und Not wieder einigermaßen meine innere Mitte gefunden, da werde ich mich von Mutti nicht wieder verunsichern lassen.
Sand in die Augen streuen?
Ich schüttele den Kopf, wo hat sie nur immer diese Ausdrücke aus den Fünfzigern her? So alt ist meine Mutter doch noch gar nicht! Noch einmal wähle ich Tims Nummer, aber es ist immer noch besetzt. Versuche ich es halt bei Miriam.
»Hi, meine Süße!«, meldet
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