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Wuppertod

Wuppertod

Titel: Wuppertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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gesamte
technische Equipment zu den einzelnen Drehorten transportiert
wurde. Dort waren auch die Garderoben der Schauspieler
untergebracht.
    Ein hagerer Mann
Anfang vierzig hatte sich zu dem Regisseur gesellt. Die
Designerbrille verlieh ihm das Aussehen eines modebewussten
Professors.
    Tickmann winkte ab:
»Ich will keine schlechten Nachrichten mehr
hören.«
    Die Haare standen
Klaus Brechtermann, dem Regieassistenten, zu Berge.
»Und?«, fragte er, »was denken
Sie?«
    Tickmann wandte sich
zu seinem Assistenten um. »Was wollen Sie hören?«,
fragte er nachdenklich und rieb sich das Kinn. »Ehrlich
gesagt bezweifele ich zur Zeit, dass es überhaupt Sinn macht,
den Film weiterzudrehen.«
    »Glauben Sie,
wir finden einen Ersatz für Heiger?« Klaus Brechtermann
musterte Tickmann.
    »Fragen Sie
nicht«, erwiderte der Regisseur. »Daran will ich gar
nicht denken. Wir müssen einen Ersatz finden, wir müssen.
Ich bin froh, dass wir bisher alle Szenen ohne Heiger gedreht
haben. Wäre er mittendrin ermordet worden, hätten wir ein
echtes Problem.«
    »Wir sind
soweit«, erklang die Stimme einer Frau durch ein Megaphon.
Tickmann nickte und reckte den rechten Daumen in die Höhe. Er
setzte sich auf den Klappsessel für den Regisseur, sprang
wieder auf und marschierte über das Set wie ein ruheloser
Tiger. Zahllose Schaulustige hatten sich am Wupperufer versammelt
und wollten einfach mal einen Hauch von Hollywood in Wuppertal
einatmen. Security-Leute hinderten die Schaulustigen daran, das Set
zu betreten.
    Die Techniker hatten
kilometerlange, teils armdicke Kabel bis in die Station verlegt.
Der Bahnverkehr ruhte. Nur eine einzige Schwebebahn war zur Zeit
unterwegs und die wartete im Bahnhof am Robert-Daum-Platz auf ihren
Einsatz, den
der Fahrer per Funk bekommen würde. Im richtigen Augenblick
würde sie dann durchs Bild fahren, denn was wäre ein Film
über Wuppertal ohne eine todesmutige Verfolgungsjagd auf dem
Gerüst der weltberühmten Bahn?
    »Okay, dann mal
los«, rief Tickmann und betrat die
Schwebebahnstation.
    »Und?«,
rief Brechtermann ihm nach.
    Tickmann verharrte und
blickte sich zu seinem Assistenten um. »Was -
und?«
    »Wie geht es nun
weiter?«
    »The show must
go on«, grinste Tickmann und stürmte die Stufen zum
Bahnsteig hinauf.
    * * *
    »Lars, ich will
nicht, dass du dein Leben riskierst für den Job!« Die
blonde Frau blickte aus traurigen Augen zu ihm auf.
    Lars Gemmering zuckte
die Schultern. Er fuhr sich durch das blonde Haar und brachte ein
aufmunterndes Lächeln zustande. »Das gehört dazu,
Kathrin.«
    Seit drei Monaten
waren sie nun ein Paar. Während er als Darsteller kleinerer
Nebenrollen sein Studium an der Bergischen Universität
finanzierte, jobbte sie am Set als Assistentin der Maskenbildnerin.
Kathrin Jungmann war dreiundzwanzig Jahre alt, also zwei Jahre
jünger als ihr Freund, der ›verboten gut‹
aussah, wie sie es zu beschreiben pflegte. Jetzt standen sie auf
dem Bahnsteig der Schwebebahnstation Ohligsmühle. Unter ihnen
plätscherte der Fluss dahin, während auf dem Bahnsteig
hektisches Treiben herrschte. Trotz Sonnenscheins wurden letzte
Scheinwerfer ausgerichtet, letzte Kabel so verlegt, dass sie
später für den Zuschauer unsichtbar sein würden.
Inmitten dieses Chaos' standen Kathrin und Lars.
     
    »Es gehört
nicht zu deinem Job, dass du dein Leben riskierst«,
wiederholte sie. »Dafür gibt es
Stuntmen.«
    Er lachte, nahm ihr
zierliches Gesicht zwischen Daumen und Zeigefinger, zwinkerte ihr
zu und küsste sie. Eine Geste, die er tausend Mal auf der
Leinwand gesehen hatte. Von seinen Idolen, denen er als
Nachwuchsdarsteller nacheiferte. »Belmondo hat alles ohne
Stuntmen gedreht.«
    »Du bist aber
nicht Belmondo«, erwiderte sie trotzig. Eine steile
Sorgenfalte stand auf ihrer Stirn.
    Am liebsten hätte
er sie an seine Brust gedrückt und ihr beruhigend durch das
lange, blonde Haar gestreichelt. Doch dafür blieb keine Zeit.
Tickmann, der Regisseur, machte unten am Fuße der
Schwebebahnstation schon Hektik. »Pass auf«, sagte er
daher und blickte ihr tief in die Augen. »Ich werde auf das
Gerüst der Bahn klettern. Es wird nicht wackeln und nicht
schwanken. Eine absolut feste
Konstruktion.«         
    »Eine
Konstruktion, die an dieser Stelle schätzungsweise zwölf
Meter hoch ist«, warf Kathrin ein und stemmte die Hände
in die Hüften. »Dein Ehrgeiz, endlich als Schauspieler
entdeckt zu werden, nimmt langsam krankhafte Formen an«,
fügte sie hinzu und schaute ihn

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