Wuppertod
man in diesem
Fall überhaupt davon reden kann.« Er grinste
schief.
»Auf eine
Million Frauen kommen dreihundertsiebzigtausend Männer, die
Opfer von Stalkern werden«, zählte Frau Heiger-Burbach
auf.
Eine sehr intelligente
Frau, wie Stefan fand. Er dachte angestrengt nach, eine Falte stand
auf seiner Stirn. »Vielleicht war der Zeitpunkt des Mordes
genau der Augenblick, als die Liebe in Hass umschlug«,
überlegte er.
Stefan nahm ihr das
Foto ab. »Ich werde den Mann mal überprüfen. Gibt
es nähere Angaben? Adresse, Vorlieben, eine Nummer, unter der
man ihn erreichen kann?«
»Angeblich
studiert er hier in Wuppertal an der Uni.«
»Dann muss er
eingeschrieben sein. Und das kann man überprüfen.«
Stefan schob die Unterlippe vor.
»Wenn der Name
stimmt - und der Detektiv meines Bruders kein Stümper
war.«
Das klang, als
stünde es für sie fest, dass er ein Stümper gewesen
war. Michaela Heiger-Burbach hatte die faszinierende Gabe, viel zu
verraten und dabei wenig zu reden. Er hätte sich in sie
verlieben können … Diesen Gedanken verwarf er rasch und
besann sich auf den Grund seines Besuches. »Das heißt,
dass dieser Name genauso gut falsch sein kann?«
Sie nickte.
Stefan blickte auf die
Uhr. »Es ist schon spät. Ich muss los.« Er erhob
sich, steckte das Foto in die Innentasche seiner Jeansjacke.
»Ich darf doch?«
»Natürlich«,
antwortete sie und erhob sich ebenfalls. »Was haben Sie
vor?« Sie begleitete ihn zur Tür.
Stefan war am Eingang
des Hauses angelangt. »Ich werde die Stecknadel im Heuhaufen
suchen.«
* * *
»Es muss
schrecklich sein, innerhalb weniger Stunden zwei» Menschen zu
verlieren, die einem viel bedeutet haben.« Dieser Satz
brachte Henrike Jochims an den Rande einer Ohnmacht. Sie
fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den
Füßen weggezogen. Ein Bleigürtel legte sich schwer
um ihr Herz. Ihr Atem ging rasselnd. Ihre Brust hob und senkte sich
rhythmisch. Mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen betrachtete
sie ihre Besucherin.
Heike hatte sich nach
Redaktionsschluss ins Auto gesetzt und war nach Elberfeld gefahren,
nachdem sie die Adresse von Henrike Jochims dem Telefonbuch
entnommen hatte. Sie hatte noch einige Fragen an die frische
Witwe.
Jetzt saßen sie
sich im Wohnzimmer gegenüber. Heikes Blick fiel auf die
zahlreichen Beileidskarten und Blumenträuße auf dem
Sideboard. Unzählige Freunde und kannte hatten so ihre
Kondolenz erwiesen.
»Was
…«, stammelte Frau Jochims, brach ab und
schüttelte den Kopf. »Was erlauben Sie sich?« Mit
zitternden Fingern strich sie sich den schwarzen Rock glatt. Ihr
Make-up war tränenverschmiert.
»Verstehen Sie
mich bitte nicht falsch«, beeilte sich Heike Göbel nun
zu sagen. »Ich bin nicht von der Polizei und will Sie nicht
verdächtigen.«
Henrike Jochims
nickte, zückte ein Taschentuch, putzte sich die Nase und
murmelte eine Entschuldigung. »Es ist nur so, dass
plötzlich alle Welt in mir eine Hexe sieht, die erst den
Geliebten umbringt, bevor sie den Ehemann in den Selbstmord
treibt.« Mit verheulten Augen schaute sie zu Heike
hinüber, die am Fenster stand. »Ihr Kollege war vorhin
schon da«, fuhr sie tonlos fort.
»Das sagte er
mir«, nickte Heike.
»Was wollen Sie
dann noch?«
»Die
Wahrheit«, erwiderte Heike. »Ich will den Mörder
von Tim Heiger. Will wissen, wer dahinter steckt.«
»Sie reden wie
eine Polizistin.«
Jetzt lächelte
Heike. »Ich bin Journalistin. Das ist gar nicht so
unähnlich. Auch ich muss in meinem Job
recherchieren.«
»Vermutlich
haben Sie Recht«, sagte Frau Jochims.
Heike spürte
jetzt, wie das Eis zwischen ihnen langsam zu schmelzen
begann.
Henrike Jochims Miene
hellte sich ein wenig auf. »Mögen Sie ein Glas
Wein?« Nachdenklich strich sie sich über den Bauch.
»Das muss jetzt sein - also? Darf ich Ihnen ein Glas
anbieten?«
Es klang fast wie eine
Entschuldigung, fand Heike. »Gerne, ja.« Sie
nickte.
Frau Jochims machte
sich an der kleinen Hausbar zu schaffen, öffnete eine Flasche
trockenen Rotwein und schenkte zwei Gläser ein. Dann kehrte
sie zum Tisch zurück, reichte Heike ein Glas und prostete ihr
zu. »Wohlsein«, sagte sie und nippte von ihrem
Wein.
Heike tat es ihr nach
und beobachtete die frischgebackene Witwe, während sie trank.
»Haben Sie sich noch geliebt?«, fragte sie
schließlich. »Ich meine, Sie und Ihr
Mann?«
»Nein«,
erwiderte Henrike Jochims. Es kam ganz spontan, ohne Zögern.
»Unsere Ehe bestand nur noch auf dem Papier.
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